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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Goeritz
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er persönlich dafür sorgen, dass ihr Frankreich zu Füßen läge. Totale Tussistimme. Hat der einen Fehler gemacht! Sie hat ihm ihre Champagnerflöte ins Gesicht gestoßen, bevor der Leibwächter irgendwas machen konnte, zum Glück für sie war das außerhalb der Kameras, und Bruce Willis kam gerade an.
    â€¹Ich hab einen Film›, hat sie ihm zugezischt. ‹Ich hab einen Film, du scheiß Froschfresser, leck mich am Arsch.› Na ja, Film? Ein Filmchen, höchstens. So eine Außenseiterstory,islamische Flüchtlingsfamilie, die nach Brooklyn kommt, und sie spielt die Tochter. Ausgang, Atmosphäre, Verwicklung, kann man sich alles sofort vorstellen. Als Mutter wäre sie vielleicht durchgegangen. Eitel ist die Welt. Und Blondinen sind keine guten Afghanen, entschuldigen Sie, aber der Witz war unabsichtlich, wirklich. Afghane, Mann, Afghane!»
    Der Interviewer hatte sich jetzt wieder im Griff. Das heiße Ziehen in der Magengegend war erst einmal weg. Er entspannte sich etwas. Solche Schmerzen kamen in Wellen. Er spürte, dass er sich auf die Lippen gebissen hatte. Bitter, nach Eisen schmeckte das. Er nahm die Flasche Perrier, schraubte sie auf, legte sogar eine Scheibe Zitrone ins Glas, goss ein. «Möchten Sie auch?», fragte er den Produzenten und war sehr stolz auf seine Selbstbeherrschung. Der alte Mann schüttelte den Kopf.
    Â«Die Drogen sind heute ja längst nicht mehr so spektakulär!
Eees
und
Dees
, und das ganze Designerzeug. Hilft keinem, hat keinem geholfen, damals nicht, heute auch nicht, und selbst Anfang der Sechziger konnte man sich ja schon fragen, ob das überhaupt geht, dass zum Beispiel Anthony Quinn und Alec Guiness Araber spielen in
Lawrence von Arabien
. Aber Hand aufs Herz, was war die mal klasse, die Lindsay. Alkohol ist wirklich kein Zuckerschlecken. Apropos? Kann Ralph Ihnen etwas …»
    Der Interviewer hob dankend sein Wasserglas und setzte sich wieder. Jetzt war der Zeitpunkt, an dem er sich wieder in das Gespräch einschalten konnte.
    Â«Nein? Okay, zum Essen später kann ich Sie leider nicht mitnehmen. Ich muss noch zu diesem Empfang derfranzösischen Filmakademie im
Grand Hotel
, totale Zeitverschwendung, ich gehe da immer spät hin, dann haben die Franzosen schon das Buffet geschlachtet, die Amerikaner sind blau, die Agenten und die deutschen Produzenten sind mit den Sternchen abgezogen, und ich kann noch kurz meine Honneurs machen. Gesehen werden ist alles.
    Essen ist so eine Art Geschäftskrankheit in meiner Branche geworden, es macht gar keinen Spaß mehr, weil man die ganze Zeit nicht allein ist oder nicht mit den richtigen Leuten allein.»
    Der Interviewer räusperte sich – ein Versuch, den alten Mann zu unterbrechen, aber der schaute einfach durch ihn hindurch.
    Â«Früher hab ich gekotzt. Ich meine das nicht metaphorisch. Ich habe mir die drei, vier, fünf Gänge reingepfiffen, habe so getan, als hätte ich nichts lieber gemacht, als würde mir diese Nobelrestaurantsattitüde schmecken, so mein Herr, das Amuse-Gueule, die Wachtelterrine, dazu einen eisgekühlten Sauternes, in den Augen zuckte dieses arrogante
Was sonst?
, und raus kam: Ja, mein Herr, ein Dessertwein zur Vorspeise, hier wird ein wenig anders gekocht, als würden einem die Kellner ihre Schwänze in die Pastete stecken. Ich bin dann raus, die haben gedacht, ich zieh mir eine Line rein, aber ich habe sozusagen den Mund des Monsters umklammert, die blank polierte Kloschüssel aus Porzellan,
american standard
, finden Sie überall in Europa, außer in Deutschland, wo sie diese Stege mögen, auf denen die Scheiße sich sammelt, damit man sich sein Innerstes noch mal so richtig ansehen kann, bevor man es runterspült. Dann hab ich mir den Finger in den Hals gesteckt, und das ganze sündhaft teure Essen ist rausgeschossen, wie wenn es nur dazu gemacht worden wäre, einmal kurz die Zunge,den Gaumen, die Kehle zu kitzeln und dann,
la boum
, den Weg alles Irdischen. Amuse-Gueule. Dessert hab ich dann noch genommen und Kaffee. Oft hab ich ja selber bezahlt. Mein Vater hätte gesagt, ich wäre verrückt. All das schöne Essen, all das schöne Geld.»
    Es entstand eine Pause, die der Interviewer nutzte, um sich für die nächste Schmerzwoge im Bauch zu wappnen. Er würde durchhalten. Er kämpfte die Übelkeit nieder.
    Â«Wir hatten nie etwas, wissen Sie, nach dem Krieg, da war ein

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