Traeumer und Suender
ist ständig für Ãberraschungen gut. Und das nicht nur bei ihren Rollen. Aber meistens verhandle ich mit ihrem Anwalt.»
Der Interviewer setzte zu einer weiteren Frage an, wurde aber gleich wieder unterbrochen.
«Die Industrie ist in einer Krise. Was produziert Amerika denn noch, das die Welt will? Waffen und Filme. Das Entertainment steht auf Platz zwei der Exportbilanz, machen Sie sich das mal klar. Da hängen Arbeitsplätze dran, ganze Städte und ihre Infrastruktur, nicht bloà Hollywood. Das geht in Europa viel leichter. Hier haben Sie Filmförderung, hier können Sie noch arbeiten, ohne dass ihnen der Hintern am Stuhl festbrennt, wenn mal das Wetter nicht mitspielt, was meinen Sie, was Ridley zitterte, als wir neulich in Oberschlesien unterwegs waren. Aber das Licht, die Wälder, die originale Location! Das ist es doch wert. AuÃerdem haben wir EU-Geld, die fördern ja grenzübergreifende Projekte. Und was wäre das, wenn nicht unserFilm?
Gleiwitz
! Der Beginn der europäischen Katastrophe.
Wussten Sie, dass es auÃerdem Abkommen zwischen einzelnen Regionen in Europa gibt? Die kann man doch auch anzapfen! Wielkopolska, Hessen, Emilia-Romagna und Westagötland. Dann dreht man halt ein paar Szenen da, benutzt ein Tonstudio exzessiv, engagiert eine Firma für Spezialeffekte und bekommt das so gut wie geschenkt. Gut, zu den Schweden ist mir erst nichts eingefallen, aber dann: Da sind immer ein paar Millionen drin, wenn man es geschickt anstellt. Filmmusik bestellen, das ist es! Wir lassen den Score aufnehmen von den Symphonikern Göteborg, vielleicht geben wir ihnen auch einen kleinen AuÃendreh von ein paar Nebenszenen, nur nicht zu viel, das ganze Team immer wieder zu verschieben, was glauben Sie, was das für eine logistische Aufgabe ist? Und die Kosten! Die springen mir ja jetzt schon an die Gurgel.
Die Reisen, die Hotels, die elenden Genehmigungen. Aber mit einem gemischten Budget, so wie wir das jetzt machen, wir sind ja nicht Sony, eher Lionsgate, Hollywood meets Filmförderung, das geht, das geht.
Mein Gott, was haben wir alles versucht gegen die Piraterie! Wegen der Raubkopien entgehen den Studios jedes Jahr über sechs Milliarden Dollar, verstehen Sie? Sechs MILLIARDEN! Vor allem in China, Thailand, Russland, Südamerika und dem Nahen Osten. Kein Copyright! Da hat sich unsere Lobby eingesetzt, mit Zuckerbrot und Peitsche, es gab eine Zeit, da hatten Sie keinen Staatsbesuch ohne ein Mitglied der Motion Picture Association mit dabei. Hat alles nichts genützt. Aber ich habe von Anfang an gesagt, dass das Fälschen von Videos und der Verkauf von schwarz gebrannten DVDs auf marginalen Märkten keine Rolle spielt. Das kriegt man in den Griff. Der eigentliche Feind ist das Internet. Das hat in den letzten Jahren unsereKernländer ausbluten lassen. Multiplexe machen zu! In Deutschland, Frankreich, Japan, Mexiko, Kanada, ja selbst in den USA! Da kommt Panik auf!»
Der Interviewer gab auf. Lass es laufen, lass ihn reden. Sorg nur noch dafür, dass alles draufkommt, mach was Kleines draus, für irgendein Filmmagazin, die werden sich freuen und hak es ab. Er sah auf das Display, nur noch dreizehn Minuten Aufnahmezeit.
«Aber wir sind selbst schuld. Das Internet mit allen Mitteln zu bekämpfen, so wie die Plattenindustrie das anfangs mit dem Radio versucht hat, ging völlig nach hinten los. Wir hätten die Chance sehen sollen. Wir hätten Facebook, Napster, Amazon, Twitter benutzen sollen, wir hätten unsere Produkte in alle neuen Kanäle pumpen müssen, das Ganze einfach als neues Vertriebssystem verstehen. Was anderes ist der ganze Hype doch nicht. Nach den Enthusiasten der freien Information, was ist gekommen? Facebook als scheinbar kostenloses Werbe- und Marktforschungsforum. Toll, oder? Die Leute geben Dinge von sich preis, gefällt mir, Daumen hoch, wie kleine römische Kaiser im Gladiatorenkampf der Warenwelt,
push the button
, irgendwann gibtâs dann durch Nerveninduktion noch Belohnungsorgasmen. Das hatten wir im Kino auch. Diese Ideen, dass bei besonders aufregenden Verfolgungsjagden eingebaute Motoren den ganzen Saal in Vibrationen versetzen. Stellen Sie sich das vor, ein Flugzeugabsturz vor Ihnen auf der Leinwand, und dann rüttelt Ihnen der Sitz den ganzen Arsch und die Knochen durch. Die Leute haben gekotzt! Oder Geruchskino. Das sind alles so Illusionsspielchen, die vom Eigentlichen ablenken. Dass wir
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