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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Goeritz
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Fahrzeug bringt, in dem die beiden Gestapomänner mit ihren Schlapphüten längst wieder sitzen. Der Landjäger legt Honiok seine Handschellen an, es sind die mit dem Stoßriegel, nicht diese scheußlichen amerikanischen. Man sieht Honiok in einem billigen grauen Anzug, wie er so gefesselt vor dem Wagen steht. Man hört den Regen, der auf ihn und den Landjäger fällt, dann kommt ein Schnitt auf den Matsch, der ihre Schuhe aufweicht, und auf die Blitze hinter ihren Köpfen, während die Gestapoleute sie vom Inneren ihres Wagens aus betrachten, als wären sie kleine Insekten.
    Uns, Ridley und mir, ist noch nicht ganz klar, wie man das alles zusammenbringen kann. Ich meine vor allem die Liebesgeschichte von der Kidman. Vielleicht brauchen wir noch einen
Script Doctor
, der das ganze Ding noch mal in den letzten Feinheiten überarbeitet. Wir dachten an Tolkin oder vielleicht sogar Goldman. Wir haben unsere beiden Schreiber jetzt ausgepresst wie Zitronen, die können nicht mehr. Manchmal sieht das dritte Auge doch mehr. Ist natürlich alles eine Kostenfrage. Nun, aber bald geht es losmit dem Hauptdreh, in Gliwice an den Originalschauplätzen und in Cinecittà. Ich freue mich schon wie ein kleines Kind. Es ist immer gut, wenn man kleine Probleme hat, die man lösen kann. Und Sie glauben ja gar nicht, was ein frischer Blick mit dem Esprit von Goldman oder meinetwegen auch Whedon, ja, Joss Whedon, der von
Buffy
und
Firefly
– ich mag diesen Nerd –, alles noch anstellen kann mit einem Skript. Das muss vorher gar nicht mal schlecht sein. So einen dabeizuhaben, grad wenn man schon dreht, gibt eine unendliche Sicherheit. Einfälle sind käuflich. Machen Sie sich nichts vor. Und dass diese Namen so gut wie nie in den Endcredits auftauchen, das werden diese Herren schon verschmerzen, glauben Sie mir. Das gehört zu dem Deal. Aber Whedon arbeitet wohl an irgend so einem Superheldenscheiß.»
    Der Interviewer wusste das, die
Avengers
, eine weitere Marvel-Verfilmung, die der Disney-Konzern in Auftrag gegeben hatte für eins dieser wahnwitzigen Zweihundert-Millionen-Budgets. Er war sehr gespannt auf den Film.
    Â«Das Beste habe ich Ihnen aber noch gar nicht gesagt. Sehen Sie! Schauen Sie mir zu! Ja! Ja! Es ist wahr. Ich kann wieder gehen!»
    Mein Gott, was für eine Schmierenkomödie. Als hätte man ihn in irgend so eine bescheuerte Vorabendserie geworfen. Der Interviewer riss sich zusammen. Lass ihn nichts merken, konzentrier dich auf den Job. Den Job. Das ist das Einzige, was zählt. Er würde schon etwas daraus machen.
    Â«Ich bin noch etwas wacklig auf den Beinen, aber das gibt sich, hat der Arzt gesagt. Jedenfalls braucht mich Ralph nicht mehr in diesem dummen Ding herumzufahren undmich dann irgendwo abzusetzen, wo ich warten muss, dass sich irgendjemand zu mir bemüht, nein, ich kann wieder eine halbe Stunde spazieren, gestützt, aber das macht Ralph wirklich sehr gut, sehr diskret. Wissen Sie, wenn man alt wird, dann wird man noch einmal eitel. Man will nicht, dass jeder die Gebrechlichkeit gleich sieht. Gut, ich habe nicht mehr so viel Energie wie am Anfang. Am Set sind meine Nerven auch viel angespannter als früher, trotzdem, ich werde durchhalten. Der
Gleiwitz
-Film, ach, ich habe noch so viele Pläne. Davon erzähle ich Ihnen heute Abend. Ich bin dankbar für jeden Tag. Sehen Sie, wenn wir glücklich sind, sind wir unsterblich.
    Vielleicht begleite ich Sie beim Hinausgehen ein Stück?»
    Â 
    Der Abend war nicht so furchtbar gewesen, wie er befürchtet hatte. Im Gegenteil. Das Restaurant war klein und eng, aber sehr gemütlich. Nun gut, auf das Essen hatten sie gefühlte drei Stunden warten müssen. «Alles wird frisch zubereitet», hatte der alte Mann immer wieder betont, wenn mal wieder eine Vor-, Zwischen- oder Hauptspeise erschien, sie tranken zwei Flaschen Wein aus dem Veneto, die den alten Mann in euphorische Stimmung versetzten und die Ralph, der am Nebentisch saß und Velder immer wieder mit diesem angedeuteten Lächeln ansah, ihnen einschenkte. Der Interviewer wich Ralphs Blick aus, so gut er konnte. Aber dem leichten Druck, den die Beine des alten Mannes gegen seine ausübten, wofür sich der Produzent immer wieder lächelnd entschuldigte, konnte er leider nicht ausweichen. Es war zu eng in dem Laden. Zu viele Touristen, auch zwei Filmleute, die den alten Mann respektvoll begrüßten, man

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