Traeumer und Suender
hörte, bis auf die Kellner, nur Englisch, Deutsch und Französisch.
Es machte ihn verlegen. Hier zu sitzen, mit zwei Schwulen. Er dachte die ganze Zeit an die Geschichte mit dem Sohn des Produzenten. Er fragte sich auch, was die anderen Gäste dachten, wenn Ralph, der nichts aà auÃer einem Tintenfischrisotto, das ihm die Zunge schwarz färbte, aufstand und sich über die beiden beugte und Wein oder Wasser nachschenkte. Dass er in die Hände eines exzentrischen Supermagnaten gefallen war? Vorbereitet, reif geschossen, verführt werden würde für die perversen Spiele, für die ihn diese beiden, der Alte und sein Diener, später auf dessen Yacht auserkoren hatten? Er ging dreimal aufs Klo. Als ihn die beiden nach dem Nachtisch an der Vaporettostation
Ospedale
in ein Wassertaxi stecken und mit ihm noch auf einen Absacker, so drückte sich der Hüne in seinem breitenAmerikanisch aus, ins
Daniel
; «entführen» wollten, lehnte er ab und sagte, er wolle noch eine Weile die laue Nacht genieÃen und den Weg zum Markusplatz durch das Gewirr der Gassen hinten am
Arsenale
vorbei nehmen, da wäre er noch nie im Dunkeln gegangen. Die beiden älteren Männer lächelten. «Sehen wir uns morgen? Zum Frühstück?», hatte der Produzent gefragt, hoffnungsvoll, wie ein Schuljunge. Der Interviewer hatte genickt. Dann stiegen die beiden in ihr Wassertaxi und fuhren ins Hotel, und er schlich durch die nur von Funzeln beleuchteten engen StraÃen. Das Essen war wirklich hervorragend gewesen. Die Gesellschaft des alten Mannes eigentlich auch. Sie hatten kaum über Filme gesprochen, Erlenberg hatte sehr fein, sehr behutsam nach Einzelheiten aus dem Leben des Interviewers gefragt, und er hatte, und das machte Velder nun nervös, gerne geantwortet. Er hatte Erlenberg nicht nur von seinem früh verstorbenen Vater erzählt, einem eleganten Mann, der seiner Mutter, ja, die, die ihn während ihres Gespräches in Cannes so nervig angerufen hatte, eine kleine Grundstücks- und Objektverwaltungsfirma hinterlassen hatte, in Hamburg Winterhude. Er hatte auch von Melanie berichtet, seiner, wie er es versucht hatte zu formulieren, Freundin, Lebenspartnerin würde sie es immer nennen. Der Wein und die Stimmung im
Tre Mori,
vor allem aber Erlenbergs Einwand, das klänge aber nicht sehr nach ihm, er möge verzeihen, er hätte ihn ja nun doch ein wenig kennenglernt, führten zu dem Geständnis, er würde ja auch nicht wissen, sie sei ⦠schön und sehr lieb. Und er würde sie doch lieben, O ja, das täte er. Und da hatte Erlenberg gelächelt, ihn traurig angesehen, einen Blick mit Ralph gewechselt, der ihm nachschenkte. Und irgendwie war es dann aus ihm rausgesprudelt. Velder hatte von Heloisa erzählt und ihrer Begegnung in Cannes. Dass er deshalb nicht mehr mit Melanie schlafen konnte, oder wenigstens nicht mehr so wiefrüher, vor ihrer ersten Trennung. Er hätte Heloisa angerufen. Sie hätten Stunden am Telefon und über Skype miteinander verbracht, über ihre erste Nacht gesprochen. Und wie sie das so sagten festgestellt, dass das ja bedeuten würde, sie wünschten sich eine zweite. Kein One-Night-Stand. Aber sie lebten doch auf verschiedenen Kontinenten? Der alte Mann hatte verständnisvoll genickt und keinen Kommentar dazu abgegeben, auÃer dem, dass es doch manchmal verrückt sei, wie viele Formen der Liebe es gäbe.
Velders Schritte knirschten auf den mit Sand und Salz bedeckten Wegen, als er an einer Baustelle vorbeikam. Das Haus war entkernt, durch die leeren Fensterhöhlen der Fassade sah man das Innere, eine Trümmerfläche aus alten Steinen; er fragte sich, ob man die gleichen Steine benutzen würde, um die hinteren Wände wieder aufzubauen, oder ob man sie mit dem Schutt in irgendeinen Kahn lud und irgendwo in der Lagune im Meer versenkte.
Was hatte er eigentlich heute erreicht? Auf der persönlichen Ebene hatte sich dieser Abend angefühlt wie der Beginn einer Freundschaft. Wer dir seine Wunden zeigt, ist immer dein Freund. Aber der Tag davor? Konnte er diese Gemengelage aus Informationen in einem guten Artikel zusammenfassen? Ja, wahrscheinlich. Sensationsmaterial hatte er nun, wenn ihn die Anwälte des Produzenten die Geschichte von seiner Frau und dem Kind und diesem Wechsler bringen lieÃen â er würde das alles schnellstmöglich von der Faktenrecherche überprüfen lassen. Aber wenn
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