Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
ist …«
Nate fällt mir unwirsch ins Wort. »Könnte daran liegen, dass es völlig verrückt ist.«
Ich atme tief aus. »Okay, dann ist es eben verrückt«, gifte ich ihn verärgert an. »Aber meinst du nicht auch, dass es ziemlich verrückt ist, dass wir beide jetzt hier sitzen? Dass wir uns ständig über den Weg laufen? Dass die Reinigung unsere Wäsche vertauscht? Dass unsere Handys sich gegenseitig anrufen? Dass wir dasselbe Zimmer im Hotel bekommen? Dass wir im Flieger nebeneinandersitzen? Im selben Bett schlafen?«
Seine Wangen brennen. »Meine Idee war das nicht.«
»Findest du es nicht auch vollkommen verrückt, dass wir nicht voneinander loskommen? Dass wir uns zwar getrennt haben, aber uns nicht trennen können? Dass uns irgendwas irgendwie immer wieder zusammenbringt?« Mein Brustkorb hebt und senkt sich vor Anstrengung, und ich höre selbst, dass meine Stimme immer lauter wird. »Sogar die verfluchte Jukebox steckt mit denen unter einer Decke«, jaule ich.
»Was?« Nate schaut mich bloß verdattert an.
»Hör doch hin!«, kommandiere ich und gestikuliere wild in der Luft herum. INXS sind fertig, und ein neuer Song hat gerade angefangen. »Glaub mir, das Lied habe ich nicht ausgesucht.«
»Velvet Underground, ›I’m Sticking WithYou‹«, meldet sich der Barkeeper zu Wort und stellt uns die neuen Drinks vor die Nase. »Ein echter Klassiker.«
»Siehste!«, japse ich ungeduldig. »Ich bleibe bei dir?«
Es dauert einen Moment, bis Nate diesen Wust an Informationen verdaut hat.
»Also, noch mal ganz langsam zum Mitschreiben …« Er kneift die Augen zusammen und beäugt mich misstrauisch. »Du willst mir also verklickern, dass ein Kuss, vor zehn Jahren , schuld sein soll an diesem ganzen Schlamassel?«
»Ganz genau.« Ich trinke einen großen Schluck aus meinem Glas.
Er schaut mich einen Moment lang an, dann lehnt er sich auf seinem Barhocker zurück. »Erwartest du allen Ernstes, dass ich dir das abkaufe?«
Meine Wangen glühen vor Empörung. »Tja, hast du vielleicht eine bessere Erklärung?«
»Jede Erklärung ist besser als deine!« Ungeduldig reibt er sich die Stirn. »Komm schon, ich bitte dich.«
Ich seufze schwer und überlege fieberhaft, womit ich ihn überzeugen könnte, was gar nicht so einfach ist, weil ich es ja selbst kaum glauben kann, als ich plötzlich von einem Geräusch aus meinen Gedankengängen gerissen werde, das sich anhört, als würde jemand eine Katze foltern.
»Heiliger Strohsack, was ist das denn?«, schimpft Nate und schaut sich irritiert um. »Sag nicht, dass du den Song auch nicht ausgesucht hast.«
»Donnerstag ist Karaoke-Abend«, erklärt der Barkeeper mit offensichtlichem Vergnügen.
»Was Sie nicht sagen«, meint Nate und stöhnt gequält auf. »Das wird ja immer besser.«
»Jawohl, und das da ist mein Mädel, Shiree. Ist sie nicht klasse?« , strahlt der Barkeeper mit stolzgeschwellter Brust.
»Äh, öhm, ja, klasse!«, rufe ich begeistert und trete Nate vors Schienbein.
Der verzieht das Gesicht und guckt mich wutentbrannt an.
»Warum versucht ihr beiden es nicht auch mal?«, meint der Barkeeper. »Wir freuen uns immer, wenn mal jemand Neues sich ans Mikro traut.«
»Oh nein, ich glaube nicht.« Schnell schüttele ich den Kopf und kippe meinen Drink runter.
»Sie kann nicht singen – sie hat eine schreckliche Stimme«, gesteht Nate dem Barkeeper ganz im Vertrauen.
»Ich habe überhaupt keine schreckliche Stimme«, entgegne ich entrüstet und stelle mein leeres Glas auf den Tresen.
»Oh doch, hast du wohl.« Nickend winkt er dem Barkeeper, eine neue Runde zu bringen. »Ich habe dich unter der Dusche singen gehört.«
»Ha! Ich unter der Dusche!«, gifte ich. »Und was ist mit dir?«
Der Barkeeper stellt uns zwei neue Drinks hin. Empört greife ich nach meinem Glas und trinke einen großen Schluck.
»Ich habe eine tolle Stimme«, entgegnet Nate. »Ich war sogar mal in einer Band.«
»Du meinst damals, als du auf dem College Tamburin gespielt hast?«, spöttele ich, weil ich mich noch lebhaft daran erinnern kann, wie er mir in Venedig alles haarklein erzählt hat.
»Manchmal habe ich auch gesungen«, entgegnet er steif.
Mit einem »Hmpf«, das man als Ja, klar übersetzen könnte, schüttele ich den Kopf und klammere mich dann hastig am Tresen fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Mannomann, mir ist aber ganz schön schwindelig.
»Was? Meinst du wirklich, du singst besser als ich?«
»Aufjednfall«, nuschele ich. Verflixt,
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