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Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Titel: Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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sie ungestört mit dem Arzt reden können. Der will mit ihnen die Einzelheiten der Operation durchgehen, die für heute Nachmittag angesetzt ist, und wie ich meine Schwester so kenne, wird sie alles haarklein wissen wollen und Antworten auf all ihre Fragen verlangen. Beim Rausgehen habe ich noch mitbekommen, wie sie verschiedene Blätter aus diversen Ordnern gezogen und ihn gebeten hat, noch einige »offene Fragen zu klären«, als ginge es um eine Multimillionen-Dollar-Fusion und nicht um die Erkrankung ihres Mannes.
    Desinteressiert blättere ich in den ausliegenden Zeitschriften herum, ohne mich für die Geschichten erwärmen zu können. Mit den Gedanken bin ich ganz woanders. Ich habe keine Lust, belanglosen Promi-Klatsch zu lesen und Bikinifotos anzuglotzen. Also lege ich die Hefte wieder weg und schaue
mich im Wartezimmer um. Mein Blick wandert über die anderen Leute, die dort auf ihre Lieben warten. Ich habe ja gewusst, dass ich lange herumsitzen muss, weshalb ich eigentlich ein Buch hatte mitnehmen wollen, doch in letzter Minute habe ich mich dann spontan für einen alten Skizzenblock entschieden.
    Den ziehe ich jetzt aus der Tasche. Er ist eselsohrig, und die Hälfte der Seiten ist voller jahrealter Zeichnungen, aber ich schlage eine leere Seite auf. Ich starre auf das weiße Blatt, und die Leere macht mich nervös. Es ist so lange her, seit ich das letzte Mal irgendwas gezeichnet habe – wer weiß, vielleicht habe ich ja in der Zwischenzeit vergessen,wie es geht. Alles verlernt. Aber derselbe Impuls, der mich zum Skizzenblock hat greifen lassen, bewegt mich nun auch dazu, in den Untiefen meiner Handtasche herumzukramen, bis ich einen Bleistift gefunden habe. Und er zwingt mich, aufzuschauen und mich umzusehen und die verschiedenen Gesichter und Mienen zu betrachten, die verschiedenen Emotionen – Hoffnung, Angst, Langeweile.
    Und er bringt mich auch dazu, den Stift anzusetzen und loszulegen.
    Ich weiß nicht, wie lange ich so dasitze. Aus den Augenwinkeln bekomme ich mit, wie der Arzt das Krankenzimmer verlässt, aber Kate bleibt drinnen.
    Schließlich sehe ich, wie zwei Krankenschwestern ein leeres Bett in Jeffs Zimmer schieben, und ein paar Minuten später wird er darauf herausgerollt. Vermutlich bringen sie ihn jetzt in den OP. Ich bleibe sitzen. Ich möchte nicht, dass sie mich sehen. Unauffällig schaue ich zu, wie Kate neben seinem Bett den Korridor entlang zum Aufzug läuft, den Kopf über ihn gebeugt, und der dichte Vorhang ihrer blonden Haare wirkt wie ein Paravent, hinter dessen Schutz sie ihn schließlich küsst. Und dann ist er auch schon weg, im Aufzug verschwunden, und wird in den Operationssaal gebracht.
    Und dann bin ich da, stehe neben ihr, wie versprochen, schlage vor, dass wir uns draußen die Beine vertreten und ein bisschen frische Luft schnappen, und sage ihr, sie solle sich keine Sorgen machen, er werde das schon schaffen.
    »Er schafft das schon«, sage ich zum x-ten Mal, als wir draußen im viereckigen Innenhof sitzen und Kaffee trinken. Es ist immer dasselbe: schlechter Kaffee und Krankenhäuser scheinen überall auf der Welt eine untrennbare Einheit zu bilden, sinniere ich, während ich an dem bitteren Gebräu im Plastikbecher nippe.
    »Ich weiß«, antwortet Kate zum x-ten Mal. »Klar doch.« Schweigend starrt sie in ihren Plastikbecher und kaut auf der Unterlippe herum, und dann, ganz unerwartet, sehe ich, wie eine dicke Träne über ihre Wange kullert und in den Kaffee klatscht. Eine einzelne Träne, mehr nicht, aber die spricht Bände. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich meine Schwester zum letzten Mal habe weinen sehen. Ich kann mich nicht mal erinnern, ob ich sie überhaupt schon mal habe weinen sehen. Jemals .
    Erschrocken starre ich sie an, als sie leise wimmert. »Ach Lucy, aber was, wenn er es nicht schafft? Was, wenn der Krebs schon gestreut hat? Was, wenn …« Erstickt bricht sie ab; sie kann es einfach nicht aussprechen.
    »Er schafft das«, sage ich leise. »Alles wird gut.«
    »Woher willst du das wissen?« Wütend geht sie auf mich los. »Was, wenn er zu dem einen Prozent gehört, das es nicht schafft?«
    Bei diesen Worten zucke ich leicht zusammen, ich verbreite jedoch weiter standhaft Optimismus. »Jeff ist eine Kämpfernatur. Der ist nicht irgendein x-beliebiger Prozentpunkt«, sage ich bestimmt und zwinge meine Stimme zur Entschlossenheit. »Er ist mit dir verheiratet, vergiss das nicht. Der Kerl muss zäh sein.«
    Sie schnieft und muss trotz

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