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Trainspotting: Roman (German Edition)

Trainspotting: Roman (German Edition)

Titel: Trainspotting: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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Schamhaare ist vergeben.
    Die Geschichte meines beschissenen Lebens. Ich komm zu früh und bin aus lauter Langeweile zu breit oder zu fertig und versaut, oder ich komm viel zu spät.
    Der kleine Gi steht neben dem Kamin und nuckelt an ner Büchse Lager. Er schaut verängstigt und verwirrt. Ich denke, vielleicht kommts doch noch soweit, daß ich dem kleinen Sack die Rosette putze.
    Der Gedanke deprimiert mich zutiefst. Aber was solls, wir sind doch alle bloß Arschlöcher auf Urlaub.
    Böses Blut
    Ich lernte Alan Venters in der Selbsthilfegruppe » HIV und positiv« kennen, obwohl er der Gruppe noch nicht lange angehörte. Venters gab nicht besonders auf sich acht und hatte bald eine der vielen Gelegenheitsinfektionen, die wir so leicht bekommen. Ich finde den Ausdruck »Gelegenheitsinfektionen« lustig. In unserer Kultur scheint das doch eine vortreffliche Eigenschaft zu sein. Ich denke da an die »Gelegenheit« des Unternehmers, der eine Marktlücke entdeckt, oder die eines Stürmers im Strafraum. Heikle Dinger, diese Gelegenheitsinfektionen.
    Die Mitglieder der Gruppe befanden sich alle ungefähr im gleichen gesundheitlichen Stadium. Wir waren alle HIV -positiv, wiesen aber fast noch keine Symptome auf. Die Angst lauerte meist nicht allzu tief unter der Oberfläche unserer Treffen, alle schienen heimlich die Lymphknoten der anderen auf Anzeichen einer Schwellung zu beobachten. Es war schon ziemlich beunruhigend zu spüren, wie die Blicke der anderen mitten im Gespräch zum Hals hinabrutschten.
    Dieses Verhalten verstärkte das Gefühl des Unwirklichen nur noch, das mich damals umgab. Ich konnte einfach nicht begreifen, was mit mir geschehen war. Die Testergebnisse waren mir erst so unglaublich vorgekommen, entsprachen überhaupt nicht meinem Gefühl und meinem gesunden Aussehen. Ein Teil von mir blieb weiterhin davon überzeugt, daß alles ein Fehler sein mußte, obwohl ich den Test dreimal gemacht hatte. Eigentlich hätte meine Selbsttäuschung erschüttert werden müssen, als Donna sich weigerte, mich zu besuchen, aber sie lauerte weiterhin wild entschlossen im Hintergrund. Wir glauben wohl immer nur, was wir glauben wollen.
    Nachdem sie Alan Venters ins Pflegeheim eingeliefert hatten, ging ich nicht mehr zu den Gruppentreffen. Sie deprimierten mich, und außerdem wollte ich meine Zeit damit verbringen, ihn zu besuchen. Tom, mein Sozialarbeiter, und einer der Gruppentherapeuten, akzeptierte meine Entscheidung nur widerwillig.
    – Hör mal, Dave, daß du Alan im Krankenhaus besuchst, find ich richtig toll für ihn. Ich mache mir im Augenblick aber eher Sorgen um dich. Du bist bei bester Gesundheit, und der Zweck dieser Gruppe ist es, uns zu ermutigen, das Beste draus zu machen. Wir hören nicht einfach auf zu leben, nur weil wir positiv sind…
    Armer Tom. Sein erster faux pax des Tages. – Meinst du das königliche ›wir‹, Tom? Wenn du HIV -positiv bist, sag mir Bescheid.
    Toms gesunde rosige Wangen wurden rot. Er konnte nicht anders. Jahre intensiven Gesprächstrainings hatten ihm beigebracht, alle nervösen sicht- und hörbaren Patzer zu vermeiden. Kein kurzer Blickwechsel, keine zittrige Stimme, wenn ihm etwas peinlich wurde. Nicht der alte Tom. Leider kann Tom nichts gegen die leuchtendroten Flecken machen, die sich in solchen Situationen auf seinem Gesicht breitmachen.
    – Tut mir leid, entschuldigte Tom sich ausdrücklich. Er hatte das Recht, Fehler zu machen. Er meinte immer, jeder habe das Recht dazu. Erzähl das mal meinem kaputten Immunsystem.
    – Ich mach mir nur Sorgen, daß du dich entschieden hast, deine Zeit mit Alan zu verbringen. Zuzuschauen, wie er dahinsiecht, ist nicht gut für dich, und außerdem war Alan nicht gerade das am positivsten eingestellte Mitglied der Gruppe.
    – Na, jedenfalls das HIV -positivste Mitglied.
    Tom überhörte diese Bemerkung. Er hatte ein Recht darauf, nicht auf das negative Verhalten von anderen zu reagieren. Das Recht hätten wir alle, sagte er uns. Ich mochte Tom; er stand allein auf weiter Flur mit seiner positiven Einstellung. Ich fand meinen Job, bei dem es unter anderem darum ging, narkotisierte Körper zu beobachten, die vom grausamen Skalpell Dr. Howisons geöffnet wurden, deprimierend und befremdlich. Aber das war das reinste Picknick verglichen damit, wie hier die Seelen aufgerissen wurden. Das war Toms Job bei den Gruppenmeetings.
    Die meisten Mitglieder von » HIV und Positiv« waren Fixer. Die hatten sich Aids von den Schießbuden geholt, die

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