Trainspotting: Roman (German Edition)
seinem Körper ein gutes Stück voraus.
– Aber wenn du auf Sgag bist, Spud, dann wars das. Das is das einzige, worum du dir Sorgen machen mußt. Du kennst doch Billy, meinen Bruder? Der is grad wieder in die beschissene Armee. Geht nach Belfast, der blöde Hund. Ich hab schon immer gewußt, daß der Wichser einen an der Waffel hat. Beschissener Lakai des Imperialismus. Dreht sich der Typ einfach zu mir um und sagt: – Ich halts im Zivilleben einfach nich aus. Wenn de in der Armee bis, das is, als wenn de Junkie bis. Der einzige Unterschied is, daß du als Junkie nich so oft beschossen wirst. Außerdem schießt ja meistens du selber.
– Das is doch irgendwo total bescheuert. Verstehste?
– Nee, paß mal auf, überleg doch mal. In der Armee tun se alles für die Blödsäcke. Geben ihnen zu essen, geben den Säcken billigen Alk in ihren dreckigen kleinen Lagerclubs, damit se nich in die Stadt gehen und rumrandalieren und die Einheimischen verärgern und so. Und wenn se dann wieder im Zivilleben sind, müssen se sich um alles selber kümmern.
– Ja, aber irgendwie is das doch was anderes, weil… Spud versucht, was zu sagen, aber Renton ist in voller Fahrt. Eine Flasche ins Gesicht ist das einzige, was ihn im Augenblick bremsen könnte, und auch das nur für ein paar Sekunden.
– Nee, nee… warte, Kumpel. Laß mich mal. Hör erst mal, was ich zu sagen hab… wo war ich stehengeblieben… ach ja! Richtig. Wenn de auf Drogen bis, dann machste dir Gedanken übern nächsten Schuß. Wenn de runter bis, dann machste dir über alles mögliche Gedanken. Kein Geld, kannste dich nich besaufen. Haste welches, trinkste zuviel. Haste keine Mieze, komms nich zum Vögeln. Haste eine, haste auch den ganzen Ärger und kanns nich mal Luft holen, ohne daß se dir am Arsch hängt. Entweder das, oder du schmeißt die Brocken hin und fühlst dich schuldig. Du machst dir Sorgen wegen Rechnungen, Essen, Gerichtsvollzieher, wegen des Hearts-Nazis, die dich verprügeln, das ganze Zeugs, das dir scheißegal is, wenn de richtig voll auf Drogen bis. Dann haste bloß eine Sorge. Dann is alles ganz einfach. Verstehste, was ich meine? Renton macht eine Pause und knirscht mit den Zähnen.
– Ja, aber das ist doch n Scheißleben, Mann. Is doch eigentlich überhaupt kein Leben, oder? Wenn de krank bis, Mann… das is doch das letzte vom letzten… die Knochen tun einem weh… das Gift, Mann, das reine Gift… Erzähl mir bloß nich, das willste alles wiederhaben, das is doch totaler Blödsinn. Die Reaktion ist voller Wut, zumal für Spud, der sonst so sanft und lässig ist. Renton spürt, daß er da offensichtlich einen Nerv getroffen hat.
– Ich weiß. Ich red n Haufen Scheiß zusammen. Liegt alles an Lou Reed.
Spud lächelt Renton auf eine Weise an, bei der die alten Weiber auf der Straße ihn sofort wie eine streunende Katze mit nach Hause nehmen würden.
Die beiden sehen, daß Sick Boy mit Annabel und Louise, den beiden Amerikanerinnen, verschwinden will. Er hat eine obligate halbe Stunde hinter sich gebracht, um Begbies Egoismus zu streicheln. Das ist die einzige Funktion von Begbies Kumpeln, findet Renton. Er grübelt über den Wahnsinn nach, der Freund von einem zu sein, den man offenkundig nicht leiden kann. Aber so war es eben. Begbie war eine Sucht, wie Drogen. Und ebenso gefährlich. Statistisch gesehen, überlegt Renton, ist die Wahrscheinlichkeit höher, von einem Mitglied der eigenen Familie oder von einem engen Freund umgebracht zu werden, als von sonst jemandem. Manche Irren umgeben sich mit totalen Psychopathen als Freunden und bilden sich ein, daß sie das stark macht, weniger verwundbar in unserer grausamen Welt, dabei war offenkundig das Gegenteil wahr.
Sick Boy, der sich mit den beiden Amerikanerinnen zur Tür bewegt, dreht sich um und hebt beim Hinausgehen eine Augenbraue à la Roger Moore in Richtung Renton. Renton wird von einer speedbedingten Paranoia überfallen. Er fragt sich, ob Sick Boys Erfolg bei Frauen auf seiner Fähigkeit gründet, eine Augenbraue zu heben. Renton weiß, wie schwierig das ist. Er hat so manchen Abend vor dem Spiegel verbracht und geübt, aber stets hoben sich beide Brauen gleichzeitig.
Die konsumierte Alkoholmenge und die verstreichende Zeit sorgen dafür, daß sich das Denken verengt. Eine Stunde vor Sperrstunde wird eine Frau, mit der du dich sonst nicht verdrücken würdest, akzeptabel. Nach einer weiteren halben Stunde ist sie eindeutig begehrenswert.
Rentons schweifender Blick
Weitere Kostenlose Bücher