Trainspotting: Roman (German Edition)
Eine derart umfassende und totale Hoffnungslosigkeit, nur durchbrochen von Angstschüben, hab ich noch nie erlebt. Sie lähmt mich derart, daß ich dasitze, das Fernsehprogramm hasse und trotzdem denke, daß was ganz Fürchterliches passiert, wenn ich umschalte. Ich sitze da, und mir platzt gleich die Blase, aber ich hab viel zu große Angst aufzustehen und aufs Klo zu gehen, weil auf der Treppe ja was lauern könnte. Sick Boy hat mich davor gewarnt, und Ähnliches hab ich früher selber schon erlebt, aber keine Vorwarnungen oder frühere Erfahrungen können einen wirklich darauf vorbereiten. Dagegen is der schlimmste Kater n idyllischer feuchter Traum.
My heart is breaking, woo-hoo. Ein kurzer Knopfdruck. Dem Himmel sei Dank für die Fernbedienung. Ein Klick, und schon bewegst du dich von einer Welt in die andere. Ich sehe, wie sie den Ersatz für die ausgeleierte Sportausrüstung umarmt, und schon labert der Typ irgendwas über den eklatanten Mangel an genauen Angaben aus Einnahmen- und Ausgabenkontrollen, die gesammelt werden können, um auf größerem Gebiet die Vorteile zu bemessen und zu bewerten, was ihre Wirksamkeit und Schnelligkeit betrifft, und das sei ja etwas, worauf der Steuerzahler, der ja die Rechnung zu begleichen hat, ein
– Kaffee, Mark? Willst du einen Kaffee? fragt Ma.
Darauf weiß ich keine Antwort. Ja, bitte. Nein, danke. Ich mag und ich mag nicht. Sag nichts. Soll Ma entscheiden, ob ich nen Kaffee will oder nich. Übertrage, delegiere diese Ebene der Macht, diese Entscheidung auf sie. Übertragene Macht is bewahrte Macht.
– Ich hab hier n nettes kleines Kleidchen für Angelas Kleine, sagt Ma und hält was hoch, das man tatsächlich bloß als nettes kleines Kleidchen bezeichnen könnte. Ma scheint nicht klar zu sein, daß ich nich weiß, wer Angela is, ganz zu schweigen von dem Kind, für das dieses nette Kleidchen gedacht is. Ich nicke bloß und lächle. Mas und mein Leben sind schon vor Jahren auf völlig verschiedene Bahnen geraten. Der Berührungspunkt is stark, liegt aber im dunkeln. Ich könnt sagen: Ich hab n nettes kleines Stückchen Sgag von Seekers Kumpel gekauft, dem Arsch mit den vorstehenden Zähnen, dessen Name mir entfallen is. Genau: Ma kauft Kleidchen für Leute, die ich nich kenn, ich kauf Sgag von Leuten, die sie nich kennt.
Pa läßt sich n Schnäuzer wachsen. Mit seinen kurzgeschnittenen Haaren wird er aussehen wien emanzipierter Homosexueller, ein Klon. Freddie Mercury. Er hat keine Ahnung von der Kultur. Ich erklärs ihm, aber er tut es ab.
Am nächsten Tag ist der Schnäuzer allerdings verschwunden. Pa »hat keine Lust«, ihn wachsen zu lassen. In Radio Vier singt Claire Grogan »Don’t talk to me about love«, und Ma is in der Küche und kocht Linsensuppe. Im Kopf singe ich schon den ganzen Tag »She’s lost control« von Joy Division. Ian Curtis. Matty. Ständig denk ich an die beiden; dabei is das einzige, was sie gemeinsam haben, ihr Todestrieb.
Mehr is über den Tag nich zu sagen.
Am Wochenende isses nich mehr so schlimm. Sie hat mir n bißchen Gras besorgt, aber es war bloß der übliche Edinburgh-Standard-Hasch, und das is meistens Scheiße. Ich hab Spacecake davon gebacken, das war besser. Am Nachmittag auf meinem Zimmer war ich sogar n bißchen high. Ich hab zwar immer noch keine Lust rauszugehen, vor allen Dingen nich mit Ma und Pa in den beschissenen Dockerclub, aber ich hab beschlossen, mich ihnen zuliebe zusammenzureißen, die brauchen auch mal ne Abwechslung. Ma und Pa lassen selten nen Samstagabend im Club aus.
Auf unsicheren Beinen geh ich die Great Junction Street lang, und mein Alter nimmt den Blick nich von mir, falls ich abhauen will. Am Leith Walk treffe ich auf Mally, und wir quatschen kurz miteinander. Der Alte mischt sich ein, schiebt mich weiter und schaut Mally an, als wollt er diesem bösen Pusher die Beine brechen. Armer Mally, der nich mal nen Joint anrührt. Lloyd Beattie, der vor Jahren mal n guter Kumpel von mir war, bevor wir alle herausfanden, daß er die eigene Schwester gevögelt hatte, nickt mir kurz zu.
Im Club grinsen die Leute meine beiden Alten breit an; mich bloß gequält. Hinter mir flüstern sie und nicken in meine Richtung, dann Stille, als wir uns an einen Tisch setzen. Pa klopft mir auf die Schulter und zwinkert, und Ma lächelt mich herzzerreißend zärtlich und erstickend nachsichtig an. Die beiden sind eigentlich gar nich so übel. Ehrlich gesagt, lieb ich die beiden bis zum Umfallen.
Ich überdenke, wie
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