Trainspotting: Roman (German Edition)
Das-is-die-schlech-te-ste-schot-ti-sche-Na-tio-nal-mann-schaft, die-ich-je-ge-se-hen-ha-be, behauptet Jocky, den Unterkiefer vorgereckt.
– Is doch nich seine Schuld. Du kannst doch bloß mit dem Schwanz pissen, den de hast. Gibt doch nix anders.
– Ja, stimmt-schon… a-ber-ich-möch-te-gern, daß-John-Raw-lin-son-noch-weit-ter-macht. Hat-er-ver-dient. Schott-lands-be-stän-dig-ster-Tor-schüt-ze.
Wir führen unseren rituellen Streit weiter, und ich versuche, wenigstens eine Spur von Leidenschaft aufzubringen, um ihn mit Leben zu erfüllen, scheitere allerdings kläglich.
Mir fällt auf, daß Jocky und Margaret die Anweisung haben, darauf zu achten, daß ich nich verschwinde. Sie wechseln sich gegenseitig ab beim Wacheschieben, und die vier gehen nie zur selben Zeit tanzen. Jocky und meine Ma tanzen zu The Wanderer, Margaret und mein Pa zu Jolene , Ma und Pa zu Rollin’ Down The River, Margaret und Jocky zu Save The Last Dance For Me.
Als der fette Sänger mit Song Sung Blue anfängt, zieht mich meine Alte wie ne Stoffpuppe auf die Tanzfläche. Unter den Scheinwerfern bricht mir der Schweiß aus, meine Ma zieht ihre Nummer durch, und ich zucke unsicher rum. Die Erniedrigung wird noch schlimmer, als ich feststelle, daß die Säcke doch tatsächlich n Neil-Diamond-Medley spielen. Ich muß Forever In Blue Jeans, Love On The Rocks und Beautiful Noise über mich ergehen lassen. Als sie dann auch noch Sweet Caroline spielen, bin ich kurz vorm Zusammenbruch. Die Alte zwingt mich, die andern Idioten nachzuäffen, die Hände in die Luft zu strecken und zu winken, während sie singen:
– HAAANDS … TOUCHING HAAANDS … REACHING OUUUT … TOUCHING YOOOU … TOUCHING MEEE …
Ich werf nen Blick zum Tisch rüber; Jocky, Leiths wahrer Al Jolson is in seinem Element.
Nach dieser Tortur wartet noch eine weitere auf mich. Mein Alter schiebt mir nen Zehner zu und meint, ich soll mal ne Runde holen. Heute abend stehen offenkundig die Entwicklung des Sozialverhaltens und die Stärkung des Selbstbewußtseins auf dem Programm. Ich trag das Tablett zur Theke rüber und stell mich an. Ich sehe zur Tür und fühle den neuen Schein in meiner Hand. N paar Körnchen bloß. In ner halben Stunde könnt ich bei Seeker oder Johnny Swan, der Mutter Oberin, sein und mich aus diesem Alptraum rausschießen. Dann seh ich meinen Alten in der Tür stehen, der mich anglotzt wie n Türsteher nen möglichen Unruhestifter. Bloß daß seine Rolle darin besteht, dafür zu sorgen, daß ich hierbleib, nich mich rauszuschmeißen.
Völlig krank.
Ich dreh mich wieder um und seh Tricia McKinlay, mit der ich in der Schule war. Eigentlich möchte ich mit niemandem reden, aber ich kann sie nich einfach so stehenlassen, jetzt, wo sie mich wiedererkennt und lächelt.
– Alles klar, Tricia?
– Ach, hallo Mark. Lange nich gesehen. Wie gehts?
– Nich übel. Und dir?
– Na, du siehst ja. Das ist Gerry. Gerry, das is Mark, er war in der Schule in meiner Klasse. Ganz schön lange her, was?
Sie stellt mich einem griesgrämigen, verschwitzten Gorilla vor, der in meine Richtung grunzt. Ich nicke.
– Ja. Kommt mir auch so vor.
– Triffst du dich noch mit Simon? Alle Weiber fragen ständig nach Sick Boy. Nicht auszuhalten.
– Ja. Er hat mich vor n paar Tagen besucht. Er fährt nach Paris. Dann Korsika.
Tricia lächelt, und der Gorilla glotzt mißfällig. Der Typ hat n Gesicht, dem einfach alles in der Welt mißfällt, und er sieht aus, als will er sich mit allen anlegen. Das is einer von der Sutherland-Sippe, da bin ich mir sicher. Tricia hätte bestimmt auch was Besseres gefunden. In der Schule hatte sie n Haufen Verehrer. Ich hab immer in ihrer Nähe rumgehangen, in der Hoffnung, daß die Leute glauben, ich würd mit ihr gehen, in der Hoffnung, ich würde tatsächlich mit ihr gehen, durch so ne Art Osmose. Irgendwann hab ich sogar meine eigene Propaganda geglaubt und mir eine herzliche Ohrfeige eingefangen, als ich versucht hab, ihr die Hand untern Pullover zu stecken, als wir an der stillgelegten Eisenbahnstrecke waren. Aber Sick Boy hat sie gefickt, die Sau.
– Schon immer ziemlich rumgekommen, unser Simon, sagt sie mit sehnsüchtigem Lächeln.
Papa Simon.
– Ja, stimmt. Minderjährige vögeln, Zuhälterei, Drogenhandel, Erpressung. So is unser Simon. Die Verbitterung in meiner Stimme überrascht mich. Sick Boy is mein bester Kumpel, na ja, Sick Boy und Spud… und Tommy vielleicht. Warum mach ich den Kerl schlecht? Bloß weil er seine
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