Trainspotting: Roman (German Edition)
das wohl für die ist, daß ich mich so entwickelt hab. Eine echte Schande. Aber immerhin bin ich noch da. Die arme Lesley wird niemals erleben, daß die kleine Dawn groß wird. Verdammt, ja, Lesley, die soll jetzt im Southern General Hospital in Glasgow liegen und an der Maschine hängen. Paracetamol. Sie is nach Glasgow gezogen, um von der Heroinszene in Muirhouse wegzukommen, und dann isse mit Skreel und Garbo nach Possil gezogen. Für manche armen Schweine gibts kein Entrinnen. Harakiri war Lesleys beste Chance.
Swanny zeigte sich wieder mal von seiner sensibelsten Seite: – Die Scheiß-Glasgower kriegen heutzutage den besten Stoff. Die sind auf diesem reinen pharmazeutischen Scheiß, und wir müssen alle möglichen Pillen zerstampfen, die wir in die Finger kriegen. Das ganze gute Zeug is bei denen doch bloß verschwendet, die meisten drücken ja nich mal. Die rauchen und schnupfen Sgag, so ne Verschwendung, zischte er verächtlich. – Und die bescheuerte Lesley, die hätte dem Weißen Schwan ruhig mal was von dem Zeug abgeben können. Und, gibt sie mir was ab? Nein. Hockt einfach da und tut sich selber leid wegen dem Baby. Is schon schlimm, versteh mich nich falsch. Aber wann hat man schon mal so ne Gelegenheit? Frei zu sein von der Verpflichtung als alleinstehende Mutter und so. Sollte meinen, daß sie das nutzt und sich entfalten kann.
Frei von Verpflichtungen. Klingt gut. Ich wär gern frei von der Verpflichtung, in diesem beschissenen Club zu hocken.
Jocky Linton kommt rüber und setzt sich zu uns. Sein Kopf sieht aus wien Ei, das auf der Seite liegt. Er hat schwarze, graugefleckte Haare. Er trägt n blaues T-Shirt und zeigt seine Tätowierungen. Auf einem Arm steht »Jocky & Elaine – Wahre Liebe stirbt nie« und auf dem anderen »Scotland« mit nem brüllenden Löwen. Unglücklicherweise hat die wahre Liebe ins Gras gebissen, Elaine is schon vor Ewigkeiten verduftet. Jetzt lebt Jocky mit Margaret zusammen, die haßt die Tätowierung, aber jedes Mal, wenn er sich ne andere Tätowierung drübermachen lassen will, kneift er und redet sich mit der Angst vor AIDS raus, wegen der Nadeln. Das is Quatsch, ne lahme Ausrede, weil er noch immer für Elaine schwärmt. Am besten erinnere ich mich bei Jocky, wie er auf Partys sang. Meistens sang er My Sweet Lord von George Harrison, das war sein Paradestück. Aber den Text hat er nie ganz in den Griff gekriegt. Er kannte bloß den Titel und »I really want to see you Lord«, und der Rest war nur la-la-la-la-la-la-la.
– Da-vie. Ca-thy. Siehst-toll-aus-heu-t-abend, Sü-ße. Dreh-dich-ja-nich-um, Ren-ton, sonst-brenn-ich-mit-ihr-durch! Alter-Glas-gower-Gau-ner. Jocky spuckte seine Silben immer wie ne Kalaschnikow aus.
Die Alte macht auf geziert, und von ihrem Gesichtsausdruck wird mir leicht anders. Ich versteck mich hinter nem Pint Lager, und zum ersten Mal in meinem Leben bin ich froh über die absolute Stille beim Club-Bingo. Üblicher Ärger darüber, daß jedes Wort, das ich sag, von Idioten überwacht wird, wird von einem Gefühl reinsten Glücks verdrängt.
Ich hätt »Bingo« rufen müssen, aber ich wollte nix sagen und damit die Aufmerksamkeit auf mich lenken. Aber das Schicksal – und Jocky – waren wohl entschlossen, keine Rücksicht auf meinen Wunsch nach Anonymität zu nehmen. Der Arsch sieht meine Karte.
– BINGO! Das-bis-du, Mark. Er-hat-Bin-go. HIER! Woll-nich-mal-ru-fen. Komm-schon-Jun-ge. Reiß-dich-ge-fäl-ligst-zu-sam-men.
Ich lächle Jocky gütig an und wünsche dem neugierigen Arsch gleichzeitig nen baldigen, gewaltsamen Tod an den Hals.
Das Lager schmeckt wie der Inhalt einer verstopften Latrine mit Kohlensäure. Nach einem Schluck muß ich heftig und krampfhaft würgen. Pa klopft mir auf den Rücken. Danach rühr ich mein Glas nich mehr an, aber Jocky und mein alter Herr ziehen sich in aller Ruhe eins nach dem anderen rein. Margaret kommt, und schon bald kamen sie und meine Alte bei Wodka Tonic und Carlsberg Special ziemlich gut voran. Die Band fängt an zu spielen, worüber ich mich zuerst freue, weil ich dann nichts reden muß.
Ma und Pa stehen auf und tanzen zu Sultans of Swing.
– Ich mag die Dire Straits, bemerkt Margaret. – Die spielen zwar für die Jüngeren, aber die Älteren mögen die Musik auch.
Ich bin fast geneigt, diese blödsinnige Bemerkung zu widerlegen. Statt dessen begnüge ich mich damit, mit Jocky über Fußball zu quatschen.
– Rox-burgh-braucht-n-Tor-schüt-zen.
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