Trainspotting: Roman (German Edition)
Sie hat lange dunkle Haare und trägt einen knöchellangen schwarzen Mantel. Scheint n bißchen auf Grufti zu machen. Wie ich sehe, verstehn sich n paar von Willies Soldatenkumpel und meine Glasgower Onkel, und ich ertapp mich dabei, wie ich The Foggy Dew pfeife. Einer der Soldaten, mit großen, vorstehenden Zähnen, kriegt das mit und starrt mich überrascht und dann wütend an, also werf ich dem Arsch ne Kußhand rüber. Er glotzt kurz und schaut dann weg, der Arsch. Gut. Karnickelsaison.
Billy Boy, ich war der andere Spastibruder, der, der nie gefickt hat, wie du deinem Kumpel Lenny erzählt hast. Lenny hat gelacht und gelacht, bis er fast n Asthmaanfall gekriegt hat. Das war nich besonders, Billy, nein, du widerliches dummes Stück.
Ich blinzle Nina heftig zu, und sie lächelt peinlich berührt. Mein Vater siehts und kommt zu mir rübergedampft.
– Der kleinste Scheiß von dir, und das wars dann. Hast du mich verstanden?
Seine Augen wirkten müde und saßen tief in ihren Höhlen. An ihm war eine traurige und beunruhigende Verletzlichkeit, die ich noch nie zuvor bemerkt hatte. Das wollte ich ihm sagen, aber ich verachtete ihn, weil er diesen ganzen Affenzirkus hier zugelassen hatte.
– Ich geh schon mal nach Hause, Vater. Ich seh mal nach Ma.
Eine Unterhaltung in der Küche, die ich irgendwann mal mitgehört hab.
Vater: – Irgendwas stimmt nich mit dem Jungen, Cathy. Is den ganzen Tag drin. Das is doch nich normal. Ich mein, schau dir doch mal Billy an.
Ma erwiderte: – Der Junge is eben anders, Davie, das is alles.
Anders als Billy. Kein Billy Boy. Du erkennst ihn nich am Krach, sondern an der Stille. Wenn er hinter dir her is, dann kommt er nich schreiend angerannt und verrät sich, aber er kommt. Hallo, hallo. Wiedersehn.
Tommy, Spud und Mitch nehmen mich mit. Reinkommen wollen sie nich. Sie verdrücken sich schnell. Ich seh meine Alte ganz aufgelöst, wie sie sich von ihrer Schwester Irene und Schwägerin Alice aus dem Taxi helfen läßt. Die Glasgower Tanten glucken im Hintergrund rum, und ich kann diesen fürchterlichen Akzent hören; bei nem Mann schon schlimm genug, aber bei ner Frau einfach widerlich. Diese alten Leute mit ihren scharfgeschnittenen Gesichtern, wie mit der Axt gehauen, schauen nich so aus, als fühlten sie sich wohl. Offenbar is ihr Ding eher ne Beerdigung eines älteren Verwandten, wo s was abzustauben gibt.
Ma packt Sharon, Billys Mieze, die ne Riesenente im Ofen hat, am Arm. Warum zum Teufel packen die Leute bei Beerdigungen einander am Arm?
– Er hätt ne anständige Frau aus dir gemacht, Liebe. Du warst sein ein und alles. So wie sies sagte, klangs eher so, als versuchte sie, Sharon und sich gleich mit zu überzeugen. Arme Ma. Vor zwei Jahren hatte sie drei Söhne, jetzt bloß noch einen, der n Junkie is. Das is ungerecht.
– Glaubst du, ich krieg was von der Armee? höre ich Sharon meine Tante Effie fragen, als wir ins Haus gehen. – Ich erwart doch sein Kind… is doch Billys Kind… fleht sie.
– Glaubst du, daß der verdammte Mond aus grünem Käse is? frag ich.
Glücklicherweise scheinen alle viel zu sehr versunken zu sein, um darauf zu reagieren.
Wie Billy. Als ich unsicher wurde, fing er an, mich zu ignorieren.
Billy, meine Verachtung für dich is im Laufe der Jahre bloß noch größer geworden. Sie trat an die Stelle der Angst, quetschte sie raus wie Eiter aus nem Pickel. Aber da gibts ja noch die Klinge. Eine große Gleichmacherin, eignet sich sehr gut, um körperliche Nachteile auszugleichen; wie Eck Wilson im zweiten Jahr in der Schule zu seinen Ungunsten feststellen mußte. Nachdem du den Schock überwunden hattest, hast du mich dafür geliebt. Zum ersten Mal als Bruder respektiert und geliebt. Ich verachtete dich nur um so mehr.
Du wußtest, deine Macht war im Eimer, nachdem ich die Klinge entdeckt hatte. Das haste gewußt, du blödes Schwein. Die Klinge und die H-Bombe. Genau wie die Nee. Nich die verdammte H-Bombe. Nich.
Ich finds immer peinlicher und ungemütlicher. Die Leute füllen ihre Gläser und sagen, was für n toller Kerl Billy doch war. Mir fällt absolut nichts Gutes über ihn ein, also halt ich den Mund. Blöderweise kommt einer aus seiner Einheit, der hasenzähnige Typ, dem ich n Kuß zugeworfen hab, zu mir rüber. – Du bist sein Bruder, sagt er, und seine Beißerchen hängen zum Trocknen raus.
Hätt ich mir gleich denken können. Noch son Glasgower bigotter Protestant. Kein Wunder, daß er mit der Sippe von meinem Vater
Weitere Kostenlose Bücher