Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
Reizgasdose, welche ich vor einigen Monaten gekauft hatte. Bisher
war sie nicht zum Einsatz gekommen. Ich umklammerte die Dose, bis die Blechhaut
Körpertemperatur hatte. Dann beugte ich mich vor und lugte durch die Scheibe.
Ich brauchte
kein zweites Mal hinzusehen.
»Gregor!«
Ein wenig
angespitzt kam er angaloppiert. Schmerzverzerrt hielt er sich die Brust. »Was ist?
Was schreist du so? Ich habe noch nicht einmal geklingelt!«
Ich zeigte
auf die Terrassentür und Gregor sah hindurch; wie erwartet entglitten ihm bei dem
Anblick sämtliche Gesichtszüge. Denn am Boden des Wohnzimmers, in das man von der
Terrasse aus einen guten Einblick hatte, lag ein Mann. In stabiler Seitenlage zwar,
doch er regte sich nicht. Seine Füße zeigten in unsere Richtung, das Gesicht war
aus diesem Winkel kaum zu erkennen.
»Scheiße«,
fluchte Gregor und sah sich um. »Verständige den Notruf!«, sagte er. Dann lupfte
er einen kleinen losen Pflasterstein aus dem Terrassenboden.
Mein Adrenalinpegel
fuhr derweil das Notsituationen-Programm hoch.
»Zurück!«
Seine freie Hand ragte nach hinten in meine Richtung und seine Finger schienen Ausschau
nach mir zu halten. Die andere Hand hatte ihre Finger um den anthrazitfarbenen faustgroßen
Stein gewickelt. Gregor holte aus. Ich trat zurück. Schwungvoll warf er den Stein
durch die Türscheibe.
Das Glas
zerbarst laut, aber nicht vollständig. Während die Scheibe oberhalb der Einschlagstelle
in großen Scherben zu Boden fiel, blieb ein gutes Drittel des unteren Fensterglases
erhalten. Sein Rand war gezackt wie eine Reihe fletschender Zähne.
Ich holte
das Handy aus meiner Tasche und wählte den Notruf. Das Freizeichen ertönte zweimal.
»Wir haben eine Person leblos am Boden gefunden«, sagte ich. Dann gab ich die Adresse
durch. »Wir sind auf dem Weg zur Person. Wir haben die Terrassentür eingeschlagen.
Für Erste-Hilfe-Maßnahmen.«
Gregor zog
den Jackenärmel über seine Hand und drehte den Türgriff, an welchen er jetzt ohne
Probleme herankam. Schwungvoll trat er gegen den Türrahmen, doch die Tür öffnete
sich nicht auf Anhieb, da ein grünes eineinhalb Meter hohes Bäumchen ihren Schwungkreis
blockierte. Gregor trat nach. Und der Baum fiel um.
»Okay. Bleiben
Sie dran, damit wir Sie unterstützen können. Und beschreiben Sie mir in der Zwischenzeit,
was Sie sehen!«
Gregor rannte
mit breiten Schritten zu dem Mann, ließ sich auf die Knie fallen und rutschte über
den Holzboden wie John Travolta in ›Saturday Night Fever‹. Er fasste nach dessen
Schulter. Ich näherte mich den beiden nur langsam. Als Gregor den Mann auf den Rücken
drehte, wandte ich mich ab.
»Sagen Sie
Ihren Kollegen vom Rettungsdienst, dass sie sich nicht beeilen müssen.«
Aus den
Augenwinkeln nahm ich die roten Ergüsse am Hals des Mannes wahr. Sie wurden durchschnitten
von einer schnurgeraden dünnen Druckstelle, welche sich auf Höhe seines Kehlkopfes
um den halben Hals wickelte. Alis Augen waren halb geöffnet; ebenso sein Mund, aus
dem sich seine Zunge wie eine fette, blaue Weinbergschnecke beulte. Die Farbe seiner
Haut war für einen Inder unnatürlich blass. Unter seinen Augen hatten sich schattige
Ringe gebildet, die ebenfalls wie Blutergüsse aussahen.
»Leiten
Sie Wiederbelebungsmaßnahmen ein«, ordnete der Mann von der Leitstelle an.
Ich legte
einfach auf.
Gregor rammte
seine Faust in den Boden und fluchte etwas, das ich nicht zu verstehen vermochte.
Ich legte meine Hand auf seine Schulter und versuchte mich nur auf ihn zu konzentrieren,
doch es gelang mir kaum. Immer wieder musste ich zu Ali runterschielen. Meine Eingeweide
rebellierten dabei jedes Mal von Neuem. »Die Spusi wird bestimmt noch etwas Brauchbares
aus dem Tatort herausholen«, ermunterte ich Gregor.
»Ich kann
dir bereits jetzt sagen, was sie herausfinden werden.« Er stand auf und zeigte auf
die Haustür. »Kein gewaltsames Eindringen. Unser Toter hat seinen Mörder hereingelassen.«
Sein Blick flog durch das Zimmer. »Es gibt kaum Hinweise auf einen Kampf. Keine
umgeworfenen Gegenstände, kein Blut. Der Mörder hat ihn offensichtlich überrascht
und rücklings überwältigt.« Er deutete auf die Striemen am Boden, wie sie dunkle
Schuhsohlen verursachten. »Vermutlich fand der Todeskampf direkt am Boden statt.«
Ich zeigte
auf Ali. »Er hat Straßenschuhe an.«
Gregor nickte.
»Möglich, dass er zusammen mit dem Täter ins Haus zurückgekehrt ist.«
Ich sah
ihn an. »Zurückgekehrt von woher?«
Wir hörten
die
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