Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
Dokumente hatte er säuberlich in Plastikhüllen und Schubladen
sortiert. Sie erschienen mir wichtig.«
Ich legte
die Sachen auf den Tisch. »Ich werde Goutam bitten, sie sich mal anzusehen.«
Fragend
hob er eine Augenbraue.
»Der Inder
im Adolfo’s.« Ich sah auf die Uhr. Es war kurz vor halb zwei. »Er übernimmt um sechs
Uhr die Abendschicht.«
Gregor schien
keine Einwände zu haben. Er nickte. Mit der freien Hand rieb er sich über die Stirn.
Meine Pappschüssel-Portion
war halb leer. Er hingegen hatte kaum mehr als drei Bissen zu sich genommen.
»Du musst
was essen«, ordnete ich an.
»Ich habe
keinen Hunger.« Er nahm die Plastikgabel, warf sie in die Pappschüssel und legte
sich lang auf den Boden. Mit beiden Händen strich er sich durch die Haare und versuchte,
seine Finger darin zu verhaken; so wie er es immer tat, wenn er über etwas nachdachte.
Doch die Kurzhaarfrisur ließ das nicht mehr zu. Angestrengt starrte er zur Decke.
Alles, was ich darin las, erschien mir leidenschaftslos und leer. Es stand im völligen
Kontrast zu seinen Füßen, die er nervös auf und ab stemmte.
Es war nicht
schwierig zu erraten, woran er dachte.
Ich krabbelte
vom Sofa, glitt über den Boden und setzte mich zu ihm. »Was glaubst du, hat Martha
mit alldem zu tun?«
Er schob
seine Hand in die hintere Hosentasche, fischte eine Packung HB heraus und zündete
sich rücklings liegend eine Zigarette über der Nase an. Er nuckelte an ihr, Nikotinwölkchen
stoben wie Rauchzeichen nach oben. »Vielleicht war sie das Druckmittel, das sie
gegen Arthur verwendeten.«
»Druckmittel
wofür? Für Geld?« Ich erinnerte mich daran, wie wohlhabend Arthurs Exfrau war. Schweiß
brach in meinen Achseln aus – mir fehlte der Mut, es auszusprechen. Mit Zeigefinger
und Daumen zog ich Gregor die Zigarette aus dem Mund und schob sie mir selbst zwischen
die Lippen. Ich nahm einen tiefen Zug und der Rauch glitt warm und körperlos meine
Luftröhre hinunter. Ich spürte, wie er in meine Lungen drang und an ihren Schleimhäuten
kratzte. Als ich ausatmete, hüstelte ich meinen Gedanken hinaus: »Glaubst du, Martha
ist etwas zugestoßen?«
Er holte
sich seine Zigarette zurück, nicht ohne mich mit einem lehrerhaften Blick zu ermahnen.
Dann starrte er wieder an die Decke. »Wenn dies der Fall ist, kann ich mir Ilonas
Verhalten nicht erklären. Fast kam es mir vor, als wollte sie verhindern, dass wir
mit Martha sprechen.«
»Ja. Als
ich ihr das Foto zeigte, tat sie erst so, als kenne sie sie gar nicht. Dann hat
sie mich rausgeworfen.« Plötzlich kam mir ein Gedanke. »Hast du Martha eigentlich
auf der Beerdigung gesehen?«
»Nein. Aber
Martha ist noch nie bei irgendeiner Beerdigung aufgetaucht. Nicht bei ihrer Oma,
auch nicht bei Julia. Und schon gar nicht bei der Beisetzung ihrer Schwester. Ich
kann es ihr nicht verübeln. Die eine oder andere Zeremonie hätte ich mir selbst
gerne erspart.«
Er gab mir
die Zigarette und stand auf.
»Wo willst
du hin?«
»Nach Düsseldorf.
Martha hat eine kleine Wohnung in Benrath. Meines Wissens wohnt sie immer noch dort.
Ich habe sie seit einer Weile nicht mehr gesehen.« Er kniff die Lippen zusammen.
»Nach allem, was ich gehört habe, bezweifle ich zwar, dass ich Martha dort finden
werde. Aber einen Versuch ist es wert.« Er ging an den Tisch. Als er sich bückte,
um nach seinem Helm zu greifen, verzerrte sich sein Gesicht.
»Hast du
Schmerzen?«
»Nichts
weiter«, sagte er sofort. »Die Narbe ziept ein wenig.«
Langsam
trat ich an ihn heran. »Darf ich sie mal sehen?«
Gregor erstarrte
für einen Augenblick. Dann rollte er mit der freien Hand sein feucht geregnetes
Poloshirt hoch.
Meine Haare
richteten sich im Nacken auf.
An jener
Stelle, wo sich einst das Einschussloch befand, prangte nun eine fingerlange rote
Narbe. Die Kugel war damals nicht wieder ausgetreten und musste operativ entfernt
werden. Aus der Entfernung sah sie eigentlich nur wie ein größerer Kratzer aus.
Doch wenn man näher hinschaute, erkannte man, dass sich die Narbe nach innen wölbte,
wie ein kleiner Kanal. Drumherum warf die Haut leichte Schuppen.
»Die Haut
ist ganz trocken. Du solltest sie eincremen.« Ohne auf seine Antwort zu warten,
marschierte ich ins Badezimmer, öffnete den Apothekerschrank und nahm meine bis
zum Abwinken ausquetschte Bepanthen-Heilsalbe heraus. Gregor hatte sich in der Zwischenzeit
keinen Zentimeter bewegt.
Ich quälte
einen kleinen Streifen Salbe auf meine Fingerspitze und rieb vorsichtig die
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