Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
daran, dass mich irgendwelche Schnappschüsse
in die Bredouille bringen könnten, denn das Internet war Mitte der 90er erst auf
dem Vormarsch. Ich kam raus. Und ich hatte keine Ahnung, dass sie mich längst gefunden
hatten.« Er wischte sich den Schweiß aus dem Nacken. »Eine Woche nach meiner Entlassung
drangen Männer in meine Wohnung ein. Ich hatte keinerlei Zeitgefühl, und ich wusste
nicht, wie viele es waren. Laut Anklageschrift erfolgte der Überfall zwischen 2.30
und 3.30 Uhr durch vier Männer. Ich sah nur zwei. Einer, der mir das Messer an die
Kehle hielt, und ein anderer, der mir ein chloroformgetränktes Tuch auf die Nase
drückte. Ich hatte tief und fest geschlafen, als sie plötzlich über mir standen.
Einbruchsspuren wurden nicht festgestellt. Bis heute ist nicht geklärt, ob – und
wenn ja, wie – sie an einen Zweitschlüssel gekommen sind.« Er rieb sich die schweißnassen
Hände an den Oberschenkeln ab. »Als ich aufwachte, war grobmaschiges Leinen über
meinen Kopf gezogen, einem Kartoffelsack ähnlich, meine Arme waren verschnürt. Ich
lag auf Metall, nackt bis auf die Unterhose. Durch die Maschen erkannte ich glatten
Beton, etwa einen halben Meter über mir. Bis heute weiß ich nicht, wo ich gewesen
bin. Aber da meine Schreie und die Rufe der Männer sehr stark hallten, nahm ich
an, dass es eine Lagerhalle war. Am ersten Tag warf jemand hohles Metall um, wahrscheinlich
Rohre. Am zweiten Tag hörte ich im Hintergrund das Surren eines Motors. Es klang
wie ein Gabelstapler. Die ganze Zeit über roch es penetrant nach Schmiermitteln
und Benzin. Die Halle wurde permanent künstlich beleuchtet, es gab wahrscheinlich
keine Fenster. Es war im Spätsommer. Die Nächte wurden wieder kalt. An den Temperaturunterschieden
konnte ich gut feststellen, wie lange ich dort war.«
»Wie lange?«,
fragte ich.
»Drei Tage
und vier Nächte.«
Ich wollte
nicht darüber nachdenken. »Was ist dort mit dir passiert?«
»Am ersten
Tag gar nichts. Sie haben mich einfach liegen gelassen und mich der Paranoia überlassen.
Bei jedem Windhauch glaubte ich, sie würden sich auf mich stürzen und anfangen,
mich zu foltern. Ich hörte sie um mich. Die Schuhe, ein paar Stimmen. Ich brüllte
herum oder redete auf sie ein, aber niemand reagierte. Am nächsten Morgen begann
dann die Tortur.«
Ich griff
nach seinen Händen.
Er streichelte
meine Daumenrücken. »Zum ersten Mal sagten sie, was sie von mir wollten. Sie hätten
mich enttarnt. Und sie wollten die Namen aller, die an dieser Mission beteiligt
gewesen waren. Ich kannte die Stimmen nicht. Und ich verriet niemanden.« Ein wenig
Stolz klang aus seiner dünn gewordenen Stimme. Nervös begann er, meine Daumennägel
zu massieren. »Sie brachen mir beide Beine. Mit Baseballschlägern, wie ich später
erfuhr. Sie haben einen hohen hohlen Klang, wenn sie auf Steinboden geschmettert
werden.« Er schluckte. »Anschließend stieg ein 150-Kilo-Kerl auf meine Brust, sprang
auf meine Schultern und zerschmetterte meine Schlüsselbeine. Ich wäre fast daran
erstickt. Ich gab ihnen Namen, frei erfundene. Sie schlugen noch eine Weile auf
mich ein. Durch die Schläge auf den Schädel wurde ich schließlich bewusstlos und
wachte erst nachts wieder auf.«
Tränen stiegen
mir in die Augen. Ich zog meine Daumen zurück, um wiederum seine Handrücken nach
oben zu drehen und die Fingerknochen entlangzustreicheln. Seine Haut war blass.
»Am dritten
Tag redeten sie wieder nicht mit mir. Aber sie hatten jemanden mitgebracht. Der
Mann wurde später als Ramon Bongard identifiziert. Er kam mit einem Alu-Koffer.
Ich konnte den Kasten durch die Maschen sehen. Aber ich wusste nicht, was drin war.
Mir wurde es erst klar, als ich die Tätowiernadel surren hörte.«
»Sie haben
dir das Tattoo auf dem Rücken verpasst?«
»Eine Tätowierung
diesen Umfangs würde einem Größenwahnsinnigen in vier Sitzungen verabreicht werden,
wahrscheinlicher sind sechs oder acht. Dazwischen gibt es mehrwöchige Pausen, damit
die Haut verheilt und man sich von den Schmerzen erholt.« Er stockte. »Wie einen
Spießbraten drehten sie mich auf den Bauch. Bongard setzte die Nadel an. Und hörte
erst wieder auf, als die letzte Linie gezogen war.« Er schüttelte den Kopf. »Ich
weiß nicht, wie lange es gedauert hat. Vielleicht acht Stunden, vielleicht nur sechs,
vielleicht bis in die Nacht hinein. Die Schmerzen kamen mit dem Ansetzen, hörten
aber nicht auf, als er fertig war. Mich auf den Oberkörper stützen zu müssen,
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