Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
war
die Hölle. Ich hörte und spürte das Knarzen der Knochenstücke meiner Schlüsselbeine.
Also versuchte ich mich zu verlagern und kugelte mir dabei die Schulter aus. Die
Nadel selbst hielt ich noch eine Weile aus. Doch irgendwann begann ich, für kurze
Zeit ohnmächtig zu werden. Erst kurz, dann immer öfter. In den Wachphasen beschwerte
sich Bongard, mein Gewinsel würde ihn stören, und sie schoben mir einen Knebel in
den Mund. Ich konnte mein eigenes Blut riechen und sehen, als es mir das Genick
hinunterrann und zu Boden tropfte. Irgendwann bekam ich Erstickungskrämpfe und sie
hoben mich hoch. Sie wollten, dass ich es bis zum Ende packe.« Er schüttelte den
Kopf. »Ich schwöre, der Schweinehund hat mit Absicht so tief gestochen, damit ich
es garantiert nie mehr loswürde. Als er fertig war, nannte er es ›ein Meisterwerk‹.
Sie fotografierten mich von allen Seiten. Mir war es egal. Doch seltsamerweise machte
ich mir einen Kopf darüber, ob auf den Fotos zu sehen sein würde, dass ich mir in
die Hose gepinkelt hatte. Es war mir peinlich. Ich verschwendete überhaupt keinen
Gedanken daran, was sie mit meinem Rücken gemacht hatten.«
Die Tränen
rannen mir mittlerweile über das Gesicht, doch ich wollte seine Hände nicht loslassen.
Also tat er es und strich seinen Daumen die Tränen von meinen Wangen. Unter den
Nägeln wurden sie schwarz von dem Make-up, das sich mittlerweile verselbstständigt
hatte. Dann redete er einfach weiter.
»Anfänglich
versuchten sie, mich bei Bewusstsein von dort wegzubringen. Da ich aber immer wieder
schrie und so zu viel Aufmerksamkeit erregt hätte, drückten sie mir die Luft ab
und ich wurde bewusstlos. Ich wurde wieder wach, als sie mich aus dem Auto warfen.
Vor dem Dortmunder Präsidium. Mein Rücken war blutverschmiert, ich hatte einige
Hämatome, die größten waren vorn an meinen Schultern. Sie bildeten beinahe vollständig
die Spitzen der Stiefel ab. Im Krankenhaus stellte man außerdem eine Entzündung
der Lymphbahnen fest, was wahrscheinlich auf eine verschmutzte oder verrostete Tätowiernadel
zurückzuführen war. Das Fieber und die Apathie vom Wasserverlust lullten mich für
ein paar Tage ein und lenkten von den Schmerzen ab. Ich krampfte noch eine gute
Woche. Die Brüche an den Beinen sind glücklicherweise vollständig verheilt. Seit
dem Vorfall kann ich die eine Schulter problemlos auskugeln.« Er nahm meine Hand
und legte sie aufs rechte Schlüsselbein. Ich spürte einen Knubbel. »Das hier ist
nicht mehr hundertprozentig verwachsen.«
Ich zog
die Hand zurück.
»Ich weiß
nicht, warum sie mich nicht einfach getötet haben. Offenbar wollten sie ein Exempel
an mir statuieren. Mich zur Schau stellen oder für den Rest meines Lebens brandmarken,
damit ich es nicht vergesse. Das macht wohl mehr Spaß. Am Tod kann man sich nicht
lang genug befriedigen.«
Es klang,
als wüsste er, wovon er redete.
»Wurden
sie geschnappt?«
Er nickte.
»Mein Körper war von DNA-Spuren übersät. Als mich die Polizisten vor dem Präsidium
fanden, haben sie den Notruf gewählt, die Leute von der Kripo gerufen und mich glücklicherweise
nicht angerührt. Die von der KTU haben mich behandelt wie eine Leiche. Netterweise
fragten sie immer wieder, ob ich es noch aushalten würde. Ins Krankenhaus abtransportiert
wurde ich erst eine Stunde später. Es dauerte nicht lange, bis sie die Täter fanden.
Die Fotos von mir tauchten im Internet auf. Ich habe sie nie gesehen. Mir reichten
die Aufnahmen der KTU. Im Verfahren konnte man den Abdruck auf meiner Schulter dem
Stiefel eines Verdächtigen zuordnen. Die Täter waren einigermaßen geständig. Einer
von ihnen war erst 16 Jahre alt. Er war derjenige, der mich mit dem Baseballschläger
›behandelt‹ hat. Ich erfuhr erst Jahre später, dass er der damalige Freund von Thomas’
ältester Tochter war, jenem Leitwolf, der mir die Suzuki schenkte. Als Thomas dank
meiner Aussage in den Knast einfuhr, verlor seine Frau Tina die Kontrolle über sich
selbst und wurde crack- und alkoholsüchtig. Sie starb auf dem Parkplatz einer Entzugsklinik
in Bergisch Gladbach, als sich ein zugedröhnter Patient mit Wahnvorstellungen in
den Wagen eines Besuchers setzte und Vollgas gab. Sie wurde zwei Meter weit weggeschleudert.«
Er sah durch mich hindurch. »Als ich Tina kennenlernte, hat sie jeden hochkant aus
ihrem Haus geworfen, der mit Crack oder irgendwelchen anderen Drogen ankam. Sie
hasste Drogen und liebte die Kirche. Sie hatte eine kleine Sammlung
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