Transfer (German Edition)
dem Erwachen aus dem Kälteschlaf sein Wissen beziehen sollte.
"Nichts, was auch
nur der Erwähnung wert wäre."
Sie zögerte kurz.
"Ich würde ja gerne
sagen, es wäre mir ein Vergnügen, Sie früher als erwartet wiederzusehen,
Captain, aber ich fürchte wir haben ein ernsthaftes Problem", entgegnete
die Navigatorin schließlich. Sie nickte den beiden anderen Männern, die dicht
hinter Raskar standen, kurz zu.
"Vor knapp
zweieinhalb Standardstunden ist die Dark Horizon aufgrund einer bisher
nicht genau definierbaren schweren technischen Störung mitten im Nirgendwo aus
der Überlichtphase zurückgefallen. Der Navigationsservo ist immer noch mit der
exakten Positionsbestimmung beschäftigt. Alles was ich bisher sagen kann, ist,
dass wir außerhalb der Reichweite einer Funkrelaiskette oder eines
Navigationsfeuers gelandet sind, also ziemlich weit weg von allem. Zudem waren
zeitweilig nahezu alle primären Bordsysteme ausgefallen, auch der
Sublicht-Antrieb. Unsere momentane Geschwindigkeit liegt erst wieder bei knapp
dreiviertel der Lichtgeschwindigkeit. Ich habe weder Kontakt mit Tanner im
Maschinenraum bekommen, noch meldet sich die zentrale Unterpersönlichkeit des
Schiffes. Man könnte auch sagen, wir stecken verdammt tief in der Scheiße.
Deshalb habe ich Sie vorzeitig aus dem Schlaf gerissen."
"Wieder so eine überflüssige
Komplikation."
Er schüttelte unwillig
den Kopf. Seine ganze Haltung drückte eher Langeweile als ernsthafte
Beunruhigung aus.
Raskars Reaktion war für
Tara Zordin nur schwer einzuschätzen, wie so oft in letzter Zeit. Schweigend
wanderte sein Blick nacheinander über die Anzeigen des Navigationsservos, des
Antriebs und der Energiekontrolle. Die Navigatorin wußte, dass er sich
mithilfe seiner Neuralimplantate in den Rechnerverbund einklinken konnte, ohne
solch archaische Hilfsmittel wie eine Tastatur oder einen Monitor zu benötigen.
Nur würde ihm das bei dem momentanen Ausfall der KI auch nicht weiter helfen.
"Gab es in den
letzten Monaten, während wir anderen geschlafen haben, irgendwelche besonderen
Vorfälle, Probleme mit dem Antrieb, der Energieversorgung oder vielleicht mit
Tanner?", fragte Raskar plötzlich ohne sich umzudrehen.
"Nein. Alle Systeme
haben reibungslos funktioniert. Und Tanner? Ich habe ihn nur ein- oder zweimal
in der ganzen Zeit gesehen, und da hat er einen relativ vernünftigen Eindruck
gemacht."
"Sehr
interessant."
Zordin hob den Kopf. Paß
auf, jetzt kommt es , dachte sie . Er sucht einen Sündenbock, dem er die
Schuld für den Zwischenfall geben kann.
Aus den Augenwinkeln
konnte sie sehen, dass sich auch Morina Jorlan, wohl ebenfalls in Erwartung
eines der gefürchteten Wutanfälle des Captains, tiefer hinter ihre Funkkonsole
duckte. Vela Thaidys grinste sie nur schadenfroh hinter dem Rücken des Captains
an.
Aber sie hatten sich
geirrt. Der Captain reagierte wieder einmal völlig anders, als erwartet.
"Sie hatten völlig
Recht, uns in dieser Situation vorzeitig zu wecken, Tara."
Raskar wandte sich
schweigend zu Kobayashi und Halpron um. Ein kurzes Nicken von ihm genügte, und
Halpron deutete eine leichte Verbeugung an, bevor er auf dem Absatz kehrt
machte und die Zentrale verließ. Die Navigatorin wußte nicht recht, was sie von
diesem merkwürdigen Auftritt halten sollte, es schien fast, als hätten die
beiden Männer sich ohne Worte verständigt, als der Captain sich wieder ihr
zuwandte und sie mit einer Mischung aus Belustigung und Langeweile musterte.
"Versuchen Sie
weiter, unsere Position zu bestimmen, während wir uns um den Antrieb und die KI
des Servo-Verbundes kümmern. Und Sie, Morina, schicken Sie ein paar unserer
Sonden aus, maximale Reichweite, und achten Sie auf mögliche Signale von
Navigationsfeuern oder interstellarem Funkverkehr."
Raskar und seine Männer hatten die
Zentrale schon lange wieder verlassen, als die Navigatorin noch immer über das
merkwürdige Verhalten des Captains und seiner beiden Stellvertreter nachdachte.
*
Hätte die Navigatorin
Raskar und Kobayashi auf ihrem Weg durch die Dark Horizon beobachten
können, wäre ihr Erstaunen kaum geringer geworden.
Die beiden Männer
betraten einen der großen Axiallifte auf dem Hauptkorridor des Zentraldecks und
fuhren wortlos durch das Rückgrat des Schiffes, einen fast zwei Kilometer
langen stählernen Schacht, der von der Kommandoebene beinahe bis zum Heck
reichte. Während sie mit einer Geschwindigkeit von gut dreißig Metern pro
Sekunde auf dem
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