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Transfer

Transfer

Titel: Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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scharfsinnig.«
    Sie verstand - wie sonst niemand - nur mit den Augen zu lächeln.
    >Warte, bald vergeht dir die Lust, mich zu locken…<, dachte ich.
    »Das ist ganz einfach. Und gar kein Geheimnis. Ich bin nicht betrisiert.«
    »Ach… «
    Eine Weile dachte ich, daß sie aufstehen würde, sie gewann jedoch ihre Fassung wieder. Ihre Augen kamen auch wieder - groß, schmachtend. Sie sah mich an wie eine nur einen Schritt von ihr entfernt liegende Bestie, als fände sie perverse Lust in dem Schrecken, den ich ihr einflößte. Das war für mich eine größere Beleidigung als ihre Angst allein. »Sie können…?«
    »Töten?« fragte ich und lächelte dabei recht nett. »Ja. Das kann ich.«
    Wir schwiegen. Die Musik spielte. Ein paarmal hob sie die Augen zu mir. Sie sprach nicht. Ich auch nicht. Musik. Beifall. Musik. So saßen wir wohl eine Viertelstunde. Plötzlich stand sie auf. »Wollen Sie mit mir gehen?«
    »Wohin?«
    »Zu mir.«
    »Um Brit zu trinken?«
    »Nein.«
    Sie drehte sich um und ging. Ich saß reglos. Ich haßte sie. Ohne sich umzuwenden, ging sie anders als alle Frauen, die ich je sah. Sie ging nicht: sie glitt. Wie eine Königin.
    Ich holte sie zwischen den Hecken ein, wo es schon fast dunkel war. Der Rest des Lichts aus den Pavillons vermischte sich mit
    dem bläulichen Lichtschimmer der Stadt. Sie mußte meine Schritte gehört haben, ging aber weiter» ohne hinzuschauen» als ob sie allein wäre» sogar dann, als ich sie unterhakte. Sie ging weiter; es war wie eine Ohrfeige. Ich faßte sie an den Schultern, drehte sie zu mir, ihr Gesicht, weiß in der Dunkelheit, hob sich: sie sah mir in die Augen. Sie versuchte nicht, sich freizumachen. Sie hätte es übrigens auch nicht gekonnt. Ich küßte sie stürmisch, haßerfüllt, spürte, wie sie zitterte.
    »Du…«, sagte sie mit einer tiefen Stimme, als wir uns voneinander lösten. » Schweig. «
    Nun versuchte sie doch, sich freizumachen.
    »Noch nicht«, sagte ich und fing wieder an, sie zu küssen. Plötzlich verkehrte sich diese Wut in Ekel gegen mich selbst, ich ließ sie los. Ich dachte, sie würde fliehen. Aber sie blieb. Sie versuchte, in mein Gesicht zu sehen. Ich wandte den Kopf.
    »Was hast du?« fragte sie leise.
    »Nichts.«
    Sie faßte mich an der Schulter. »Gehen wir.«
    Ein Paar ging an uns vorüber und verschwand im Dunkel. Ich ging hinterdrein. Dort, im Dunkel, war irgendwie alles möglich.
    Als es heller wurde, schien mein Ausbruch von vorhin nur lächerlich. Ich fühlte, daß ich in etwas Falsches hineingeriet, so wie Gefahr und Zauber und alles falsch gewesen waren - und ging weiter. Weder Zorn, noch Haß - nichts -, es war mir alles gleichgültig. Ich befand mich unter hohen hellen Lichtern und fühlte meine große, schwere Anwesenheit, die jeden Schritt neben ihr zu einer Groteske machte. Aber sie schien es nicht zu bemerken. Sie ging den Wall entlang, an dem reihenweise Glider standen. Ich wollte dableiben, aber sie ließ ihre Hand an meinem Arm entlanggleiten und faßte meine Hand an. Ich müßte meine Hand wegzerren und würde nur noch lächerlicher werden - ein Denkmal astronautischer Tugend, von einer Potiphar versucht.
    Ich stieg ihr nach, der Glider zuckte und flog. Zum ersten Mal befand ich mich in einem Glider und verstand nun, warum sie keine Fenster hatten. Von innen her waren sie völlig durchsichtig, wie aus Glas.
    Schweigend fuhren wir noch lange. Die Bauten im Zentrum wichen den wunderlichen Formen der suburbanen Architektur -unter kleinen, künstlichen Sonnen lagen im Grünen Gebäude mit verschwommenen Linien, aufgedunsen in wunderliche Kissen mit etlichen Flügeln, derart, daß sich die Grenze zwischen dem Innern der Häuser und ihrer Umgebung verwischte. Erzeugnisse einer Phantasmagorie, immerwährender Bestrebungen, etwas zu schaffen, was nicht eine Wiederholung der alten Formen wäre.
    Der Glider verließ die breite Fahrbahn, lief durch den dunklen Park und hielt bei einer Treppe, die einem gläsernen Wasserfall glich: indem ich sie hinaufstieg, sah ich unter meinen Füßen ein Treibhaus ausgebreitet.
    Das schwere Tor ging lautlos auf. Eine Riesenhalle, hoch von einer Galerie umrahmt, hellrosa Lampenschilder ohne Stütze oder Aufhang, an den sich neigenden Wänden. Nischen - wie Fenster, die in einen anderen Raum geschlagen wären. Und in ihnen weder Fotos, noch Puppen, sondern Aen selbst, riesengroß, mir gegenüber: umfangen von einem dunkelhaarigen Mann, der sie über dem Katarakt der Treppe küßte - Aen in

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