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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    »Soll ich mir das Mädchen entgehen lassen oder mit anderen Männern im Zug teilen? Das kann Klaschka besorgen. Milda ist meine private Reisebegleiterin.«
    »Das kann ja heiter werden!« rief Karsanow giftig. »Ich bin ein moderner und aufgeklärt denkender Mensch, aber noch sechs Tage in einem Raum mit …«
    Er verschluckte einige böse Worte und starrte hinaus in die sonnenüberflutete, vom Schnee fast erdrückte, undurchdringliche Taiga. »Sie werden mir den Schlaf rauben!«
    »Nur, wenn Sie unbedingt zusehen wollen!«
    »Sie sind ein Vieh, Werner Antonowitsch. Ich habe mich schwer in Ihnen getäuscht.« Karsanow trommelte mit den Fingern nervös auf dem Klapptisch. »Ich überlege, ob ich in Irkutsk die Miliz informieren soll.«
    »Das sollten Sie bleibenlassen, Pal Viktorowitsch.«
    »Oh! Ist das eine Drohung?« Karsanow beugte sich zu Forster hinüber. »Ein Deutscher droht in einem sowjetischen Zug einem Russen! Oha!«
    »Ich möchte Frieden, Karsanow! Ich bestimmt!«
    »Was haben Sie gegen die Miliz?«
    »Was haben Sie gegen Milda?«
    »Wenn wir uns gegenseitig mit Fragen bombardieren, kommen wir nicht weiter!«
    »Warum sollten wir nicht weiterkommen? Milda bleibt bei mir! Das ist eine Tatsache, die sich nicht wegreden läßt.«
    Karsanow grunzte etwas Unverständliches, erhob sich und verließ das Abteil.
    Entweder, dachte Forster, beschwert er sich jetzt bei Mulanow, oder er zieht sich grollend in den Speisewagen zurück, frühstückt, ärgert Fedja und brütet eine neue Gemeinheit aus.
    Forster war mit seinen Gedanken zu sehr bei der Auseinandersetzung mit Karsanow, daß er nicht merkte, wie Milda erwachte.
    Erst als das Mädchen zaghaft seinen Arm berührte, fuhr er herum und blickte in ein grotesk aussehendes Gesicht.
    Die Schminke, die Klaschka wenig sparsam darauf gestrichen hatte, war verschmiert. Die bunten Farben waren ineinandergelaufen. Forster grinste, und Milda deckte beide Hände über ihr Gesicht.
    »Lach nicht!« sagte sie streng. »Der Tod sieht weniger lustig aus …«
    »Du mußt gleich zu Klaschka gehen und dich neu anmalen lassen.« Er zog ihre Hände vom Gesicht und nickte ihr fröhlich zu. »Du hast wunderbar ruhig geschlafen, Milda. Es ist uns gelungen, alle zu täuschen.«
    »Auch Karsanow? Wo ist er?«
    »Geflüchtet.«
    »Und Mulanow?«
    »Er glaubte es als erster. Nun wird er mit dir über die Prozente reden.« Forster griff in die Tasche und holte zehn Rubel hervor. »Bring sie ihm. Er wird dich umarmen und ›Töchterchen‹ nennen.«
    Sie sah die Rubelnote an und nahm sie zögernd.
    Forster konnte in ihren Augen lesen, was sie dachte: er kümmert sich um mich, er beschützt mich, er gibt mir Geld – wann wird er dafür die Gegenleistung fordern? Es gibt keinen Menschen, der alles umsonst tut. Ich kenne keinen …
    »Geh jetzt zu Klaschka«, sagte er und bog ihre Finger zu einer Faust, in der die Rubelnote zerknitterte. »Und dann zu Mulanow. Du mußt so tun, als ob du wirklich …«
    Sie nickte, erhob sich gehorsam, strich den Rock glatt, knöpfte die Bluse wieder bis zum Hals zu und schüttelte das glänzende schwarze Haar in den Nacken.
    Plötzlich hatte Forster Angst, sie nicht wiederzusehen. Wenn sie nun wieder untertauchte in dem geheimnisvollen Versteck, in dem sie sich die vergangenen drei Tage verborgen hatte, würde das Suchen von neuem beginnen. Mit dem Unterschied, daß sich diesmal auch Mulanow an der Suche beteiligen würde, weil er sich um seine Prozente geprellt fühlte …
    »Du kommst doch wieder, Milda?« fragte er.
    Sie nickte und lächelte, fast traurig. »Ja, Werner Antonowitsch. Wir wollen doch zusammen frühstücken …«
    »Nur deswegen?«
    Sie sah ihn groß an, gab keine Antwort, wandte sich abrupt zur Tür und verließ rasch das Abteil.
    Werner Forster hatte wenig Zeit, über sich und Milda nachzudenken, geschweige denn die Situation vorauszuahnen, die sich noch entwickeln könnte. Mulanow tappte vom anderen Ende des Wagens heran und sah es als seine Pflicht an, den allein sitzenden Staatsgast mit den neuesten Nachrichten zu versorgen.
    »Ein besonders kritischer Zug diesmal –«, seufzte er. »Der Genosse General wird hysterisch. Stellen Sie sich vor: Jetzt fängt der Tenor schon am frühen Morgen an! Der General ist aus dem tiefsten Schlaf emporgeschreckt. Er will seiner ganzen Armee verbieten, jemals wieder ein Opernhaus zu betreten! Und was noch nie vorgekommen ist, gospodin: Im Zug wird geklaut! Ich bin erschüttert!«
    Forster

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