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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schlucken und griff dann durch einen seitlichen Schlitz unter ihren weiten Stepprock.
    Sie holte Brot hervor, Wurststückchen, Kekse, eine Essiggurke, zwei bereits geschälte Zwiebeln, ein Ei und eine Ecke Schokolade. Das legte sie alles auf einen kleinen Klapptisch am Fenster, griff dann in den anderen Rockschlitz und holte ein Messer heraus.
    »Ich habe Hunger«, sagte sie schlicht. »Es ist mein erstes Essen seit zwanzig Stunden …«
    »Wenn der Speisewagen wieder öffnet, gehen wir frühstücken wie die Bojaren«, verkündete Forster. Seine Kehle war wie zugeschnürt.
    Jetzt, in der besseren Helligkeit des Abteils, sah er erst, wie schön Milda Tichonowna war. Sie hatte einen zarten Körper, aber ihre Brust war rund und wohlgeformt, und unter dem langen Rock ahnte er die schlanken Beine eines Rehs mit kleinen Füßen, an denen jetzt die klobigen Bauernschuhe wie Bleiklumpen hingen.
    Sie aß mit großem Hunger, schnell, fast gierig. Sie schlang alles in sich hinein, Kekse und Gurke durcheinander, Zwiebeln und Schokolade, Wurst und das rohe Ei, das sie mit der Messerspitze einstach und dann austrank.
    Nach dem Essen hielt sie den Becher wieder hin und lächelte Forster an. »Noch einen Schluck, Werner Antonowitsch?«
    »Trink, soviel du willst.«
    »Danke.«
    Sie schloß die Augen beim Trinken, und er bewunderte sie mit einem seligen Gefühl.
    »Wir werden nicht in den Speisewagen gehen«, sagte sie hinterher. »Ein vornehmer Herr wie du zeigt sich doch nicht mit einer Dirne in aller Öffentlichkeit! Das würde auffallen.«
    »Dann soll Fedja das Frühstück ins Abteil bringen. Im übrigen lasse ich mir nicht vorschreiben, mit wem ich essen gehe. Ich bin ein freier Deutscher!«
    »Der aber in einem sowjetischen Zug fährt, Werner Antonowitsch.«
    Sie war satt, war nicht mehr durstig, und jetzt wurde sie sichtlich müde. Sie hatte Mühe, ihre Lider offenzuhalten blinzelte ein paarmal hinaus in die Nacht, wo die im Frost erstarrte Taiga vorüberzog, und schlief fast im Sitzen ein.
    Forster legte sie sanft zurück auf sein Bett, schob ihre Beine auf die Polster und rückte nach vorn auf die Bettkante.
    Sie lächelte ihn dankbar an, ein Kinderlächeln, in dem alles Vertrauen eines Menschen lag, drehte den Kopf etwas zur Seite und schlief sofort ein.
    Ihre Atemzüge wurden ruhiger, die letzten Verkrampfungen lösten sich, ihre Brust hob und senkte sich gleichmäßig … Es war das erstemal seit drei Tagen und Nächten, daß sie sorglos schlafen konnte.
    Gegen sieben Uhr morgens wachte Karsanow auf. Forster hatte auf diesen Augenblick gewartet und sich darauf vorbereitet.
    Milda Tichonowna schlief noch. Sie lag mit angezogenen Beinen auf der Seite. Forster hatte ihr gegen Morgen die dunkelblaue Bluse ein wenig aufgeknöpft, damit sie freier atmen konnte – aber nur bis zum Brustansatz. Weiter die Bluse zu öffnen scheute er sich, – er ahnte, daß sie es falsch auffassen würde, wenn sie erwachte.
    Karsanow dehnte sich, kratzte sich die Brust, hustete ein wenig verschleimt und ließ einen Wind streichen.
    »Verzeihung, Werner Antonowitsch!« sagte er sofort. »Ich habe nicht gesehen, daß Sie schon wach sind.«
    Dann richtete er sich auf und saß in seinem gestreiften Schlafanzug im Bett. Erstaunt starrte er das fremde Mädchen an. »Wer ist denn das?«
    »Milda.«
    »Der Name tut nichts zur Sache! Wie kommt sie in Ihr Bett?«
    »Wie man in ein Bett kommt, Pal Viktorowitsch. Man legt sich hin.«
    »Sie sind ja sehr witzig heute morgen!« Karsanow musterte das Mädchen mit einem deutlichen Anflug von Ekel. »Sie haben sich also doch nicht bezwingen können, mein Lieber? Immerhin haben Sie nicht diese gräßliche Klaschka genommen. Mir wird übel, wenn ich sie nur ansehe.« Er stand auf, zog seinen Bademantel über und gähnte ausgiebig.
    Ein Agrarexperte muß gut verdienen, Karsanow hatte drei Goldzähne, die in der bleichen Morgensonne glitzerten.
    »Wollen Sie sie nicht aus dem Abteil entfernen?«
    »Nein. Warum?«
    »Warum? Soll sie in Ihrem Bett Wurzeln schlagen?« Er fuhr in seine Pantoffeln und schlurfte zur Tür. »Man muß sich schämen vor den Gästen der Sowjetunion, daß solche prasstitutkis ungestraft sogar in einem Eisenbahnzug ihr Unwesen treiben können! Und diese Tarnung! Wie eine Bäuerin sieht sie aus! Jung, nicht wahr?«
    »Sehr jung, Pal Viktorowitsch. Man kann sie vielleicht noch vor dem völligen Verfall retten.«
    »Glauben Sie! Ich nicht. Weiber dieser Art sind wie die Filzläuse. Man kann sie

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