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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eben … ein erotischer Typ!«
    »Widerlich, Werner Antonowitsch!«
    »Wie man's nimmt. Ich fühle mich wohl dabei.«
    Ein paar Holzhäuser glitten draußen vorbei, dann einige Steinbauten, hingeduckt in den Schnee. Ein kleiner Bahnhof tauchte auf, und der Zug hielt.
    Es war Tugun, eine jener Taigastädte, die man beim Bau der Bahnlinie angelegt hatte.
    Später hausten hier Kosaken, dann Freigelassene, Begnadigte; Deportierte, die das Lager verlassen durften, wenn sie sich verpflichteten, für den Rest ihres Lebens in Sibirien zu bleiben. So war ein eigenes sibirisches Volk herangewachsen, hart wie die Riesenbäume der Taiga.
    Mulanow sprang auf den gefegten Bahnsteig, zwei andere Zugbeamte stießen zu ihm, sicherlich Vitali Diogenowitsch und Wladlen Ifanowitsch. Sie diskutierten heftig über die Diebstähle, gingen dann in das Stationsgebäude und kamen mit einem Milizionär zurück, der sehr dienstlich aus seiner Uniform blickte.
    »Jetzt geht es den Huren an den Kragen!« rief Karsanow erfreut. »Bravo! Es gibt noch pflichtbewußte Beamte!«
    »Nein, es geht um einige Diebstähle im Zug.«
    »Wer sagt Ihnen das?«
    »Mulanow. Ein Ohrring und ein Paar neue Herrenschuhe.«
    »Sie sollten bei Klaschka und Milda unter die Röcke gucken, da finden sie noch mehr!«
    »Davon bin ich überzeugt«, sagte Forster vergnügt. »Pal Viktorowitsch, was sollten die Mädchen mit Herrenschuhen?«
    »Verkaufen! Was denn sonst?«
    »Geht es Rußland so schlecht, daß getragene Schuhe Handelsware sind?«
    Karsanow starrte Forster böse an und ließ den winzigen Rest seiner Zigarette in den Aschenbecher fallen.
    »Diese defätistische Bemerkung hätten Sie sich sparen können, Werner Antonowitsch!« sagte Karsanow grob. »Oder gibt es im Westen keine Geschäfte, die vom Altwarenhandel leben?«
    Die Tür wurde aufgerissen, Milda stürzte ins Abteil und ließ sich auf Forsters Bett fallen. Ihr von Klaschka neu geschminktes Gesicht drückte helle Angst aus.
    »Die Miliz!« stammelte sie. »Werner Antonowitsch, die Miliz kommt in den Zug!« Die Rubelnote hielt sie noch in der Hand.
    »Haha!« rief Karsanow voller Triumph. »Jetzt wackelt etwas anderes als der Busen! Jetzt wird der Zug gesäubert von Ungeziefer!«
    »Halten Sie den Mund, Pal Viktorowitsch!«
    Forster beugte sich zu dem Russen hinüber. Ihre Köpfe waren jetzt dicht beieinander, ihre Blicke kreuzten sich wie Degenklingen.
    »Wir müssen bis Wladiwostok zusammenbleiben, – das ist noch eine lange Zeit …«
    »Soll das eine Drohung sein?« Karsanow keuchte.
    »Nennen Sie es, wie Sie wollen.«
    »Sie wissen nicht, wer ich bin!«
    »Das ist mir völlig gleichgültig!«
    »Selbst wenn Sie ein Staatsgast sind, können Sie sich nicht alles erlauben!«
    »Ich erlaube mir eine Reisebegleiterin, sonst nichts. Und Sie? Sie stören den Frieden! Ich bin ein ruhiger Mensch, aber wenn Sie Milda in Schwierigkeiten bringen, dann werden Sie mich kennenlernen! Auch in Ihrem Land werde ich die absolute Freiheit meiner Person zu verteidigen wissen. Andernfalls wird diese Sache zu einem Politikum …«
    Forster lehnte sich zurück und legte seinen rechten Arm um Mildas schmale Schulter. Sie zitterte vor Angst und verkroch sich in seine schützende Umarmung.
    Mit mahlenden knirschenden Zähnen beobachtete Karsanow, wie der Polizist in den Transsib kletterte.
    Man muß den großen Kummer verstehen, den Dementi Michailowitsch Skamejkin erlitten hatte, als man ihm seine Schuhe stahl, um jetzt sein Geschrei ertragen zu können.
    Da zieht man sich abends aus, wie es sich für einen anständigen Menschen gehört, legt den Anzug zusammen, stellt die Schuhe unters Bett, kriecht unter die Decke, um ohne Sünde zu schlafen, vertrauend auf die sozialistische Ehrlichkeit seiner Mitreisenden, und was findet man, als man morgens wieder aufwacht? Nichts! Die Schuhe sind weg!
    Nagelneue Schuhe, fünfzehn Rubel das Paar!
    Gemälde von Schuhen, sage ich euch, bewundert von der ganzen Familie!
    Als wenn man es geahnt hätte!
    Noch beim Abschied auf dem Bahnhof Omsk hatte Lydia, die älteste Tochter, gesagt: »Väterchen, paß auf deine Schuhe auf. Wie neidisch sie dir alle auf die Füße gucken! Es gibt mehr Mißgünstige als Freunde auf der Welt!«
    Ein wahres Wort! Ein kluges Mädchen, seine Lydia, sie studiert ja auch Philosophie.
    »In was für einem Land leben wir!« brüllte Skamejkin jetzt. Er stand in Socken und mit hochrotem Gesicht im Gang des Waggons.
    Die Tür zu seinem Abteil war aufgeschoben, die

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