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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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abtransportiert: neun Frauen und siebzehn Männer. Fünf Gefängniswagen brachten sie zum Güterbahnhof von Kiew, wo die geschlossenen Waggons warteten. Es waren umgebaute Viehwagen mit Pritschen und einem eisernen Ofen in der Mitte.
    Bis jetzt waren es fünf Waggons, die aus anderen Gegenden herangebracht und hier gesammelt worden waren. Es würden bis Sibirien noch mehr werden … ein langer Zug, der in der Unendlichkeit der Taiga verschwinden sollte …
    Die Begleitsoldaten behandelten die Frauen höflich, die Männer trieben sie herum wie eine Hammelherde.
    Es waren nicht alles Mörder, Spitzbuben, Wegelagerer oder Betrüger; auch drei Professoren waren darunter, zwei Schriftsteller, ein Journalist, ein Schauspieler und ein Fabrikdirektor.
    Und unter den weiblichen Sträflingen saß in Mildas Waggon auch eine Ärztin, eine ältere Frau, die wenig über sich sprach. Meistens saß sie auf der Pritsche und starrte vor sich hin.
    Wenn eine der Frauen die Nerven verlor und zu kreischen begann aus Angst vor diesem riesigen unbekannten Sibirien, dann fand sie einfache, aber gute Worte.
    »Wen haben Sie erschlagen, Genossin?« fragte Milda auf dem langen Weg durch den Ural die verschlossene Ärztin.
    Es war eine so naive Frage, daß sie zum erstenmal ein klein wenig von dem Schleier ihres Geheimnisses öffnete.
    Die anderen, durchweg kriminelle Weiber, starrten sie gierig an.
    »Ich habe einige Lügen erschlagen«, sagte die Ärztin. »Ich war ein Jahr in Hamburg und habe in Kiew erzählt, wie es in Deutschland aussieht.« Die Ärztin hob die Schultern. »Nun soll ich lernen, wie man den Sozialismus liebt …«
    Eine Politische!
    Die anderen Weiber rückten von der Ärztin weg. Von dieser Stunde an war sie völlig allein. Nur Milda saß öfters bei ihr und erzählte von Kargopow, den weiten Feldern und von dem uralten Jefim Timofejewitsch, der dem Gericht seinen nackten Hintern gezeigt hatte.
    Der Zug durchfuhr den Ural. In Swerdlowsk holte man die Ärztin, zwei Diebinnen und Milda Tichonowna aus dem Waggon und fuhr sie in einem geschlossenen Transporter weg.
    Endstation! In Swerdlowsk bereits? Blieb sie am Rande Sibiriens? Ersparte man ihr Karaganda oder das ferne Magadan? Lud man sie nicht irgendwo in der grenzenlosen Taiga ab, in einem Lager, das nur einen Namen in den Listen der Behörden hat?
    »Die Hölle kann überall sein …«, sagte die Ärztin, als man sie auslud. Sie waren weit außerhalb der Stadt in ein Lager gekommen, wo der Wald begann.
    Ein Sägewerk rasselte Tag und Nacht, Stämme und geschnittene Bretter lagen unübersehbar gestapelt und der herbe Geruch des frischen Holzes überdeckte alle anderen Gerüche.
    »Ein Holzkombinat!« Die Ärztin sah sich um.
    Der begleitende Offizier gab die Transportpapiere ab. Die Frauen standen allein auf dem Hof der Verwaltung, eng zusammen wie Kühe im Gewitter. Vier unförmige Gestalten in Steppjacken, Wattehosen und derben Bauernstiefeln, die Köpfe unter Kopftüchern versteckt …
    »Weißt du, was das bedeutet, Milda?«
    »Nein. Aber ich habe schon im Wald gearbeitet, auf der Sowchose. Mir macht's nichts aus …«
    »Sie werden mich sicherlich ins Krankenrevier stecken«, meinte die Ärztin. »Melde dich nach ein paar Tagen krank, komm zu mir … ich werde sehen, wie ich dich über die ersten Wochen bringen kann.«
    Die Sägen kreischten durch das Holz, und die Gatter ratterten.
    Links war das Männerlager, rechts die langgestreckte Frauenbaracke, durch hohe Zäune abgeteilt.
    Einen Todesstreifen gab es nicht, keinen Drahtzaun mit Starkstrom, nur ein paar Wachttürme mit Scheinwerfern und Maschinengewehren, und diese nur um das Männerlager.
    »Aus meinem Lager flüchtet man nicht!« sagte der Kommandant eine halbe Stunde später.
    Die neuen Gefangenen waren ihm vorgeführt worden.
    »Ich sehe auch in Ihnen nur gestolperte Menschen, denen man wieder auf die Beine helfen muß. Sie werden anständig behandelt, wenn Sie sich anständig benehmen. Wir sind eine Arbeitsgemeinschaft, jeder ist auf den anderen angewiesen. Wer das begreift, wird hier als Mensch behandelt …«
    »Das hört sich gut an«, sagte die Ärztin später. Sie standen in der Banja, hatten geduscht und warteten jetzt auf das Dampfbad und die obligatorische Entlausung. Ihre nackten Körper glänzten bereits vor Schweiß, es war heiß in diesem Vorraum. Auch die Banjaarbeiterinnen, ebenfalls Sträflinge, trugen nur einen kurzen grauen Kittel über der bloßen Haut.
    »Warten wir es ab«, fuhr die

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