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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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jener Tag, der das Leben Mildas für immer veränderte.
    Es regnete in Strömen, und die Brigade drei war zur Untätigkeit begnadigt, denn selbst im Wald konnte man nicht mehr arbeiten. So putzte man die Gerätschaften und die Fahrzeuge, und Milda wurde ins Lager geschickt, um einige Dosen mit Schmieröl zu holen.
    Ein trüber Tag, wie gesagt. Ein Tag, an dem der Himmel auf die Erde fällt.
    Milda Tichonowna sprang aus ihrem kleinen Wagen, schlug eine Decke über den Kopf und rannte blindlings durch den rauschenden Regen in die Lagerhalle.
    Das hätte sie nicht tun sollen.
    Kaum im Trockenen, kam sie nicht mehr dazu, die Decke von ihrem Kopf zu ziehen. Jemand stülpte von hinten einen großen Sack über Milda und erstickte damit jeden Schrei und jede Gegenwehr.
    Sie wurde hochgehoben, weggetragen, fiel in etwas Weiches und brüllte – brüllte ihre ganze Qual in den über den Kopf gezogenen Sack. Dann riß man ihr die Arbeitshosen vom Körper. Ein Leib, schwer wie ein Felsblock, fiel über sie.
    Das Weitere erduldete sie stumm. Sie biß vor Schmerz in die Sackleinwand, aber sie behielt die Besinnung.
    Ihre Gedanken waren so schrecklich klar, daß sie jede Einzelheit bewahrte, die mit ihr geschah.
    Erst als alles vorbei war, bekam sie einen Hieb auf den Kopf und verlor das Bewußtsein.
    Sie erzählte es niemandem, nicht einmal ihrem Vater. Was konnte sie beweisen –, sie hatte einen Sack über dem Kopf gehabt. Kuran würde Zeugen bringen, daß er um diese Stunde weit weg vom Materiallager gewesen war.
    Am nächsten Tag fehlte Milda Tichonowna in der Brigade drei.
    Sie blieb im Hauptlager der Sowchose, ging zur Werkzeugausgabe, in der jetzt eine andere Frau arbeitete, nicht so jung und hübsch wie Milda, aber raffinierter und vor allem williger, ließ sich eine kurzstielige Axt geben, unterzeichnete die Quittung mit ihrem vollen Namen und und klemmte sich die Axt unter die Achsel.
    Ganz ruhig überquerte sie dann den großen Zentralplatz der Sowchose, betrat das Büro der Verwaltung und klopfte an die Tür von Kyrill Michailowitsch Kuran.
    Milda Tichonowna war trunken vor Haß, als er »Hereinkommen!« schrie.
    Er saß fett und mit ausgestreckten Beinen hinter seinem Schreibtisch und … fraß. Man konnte das, was er tat, beim besten Willen nicht mehr als ›essen‹ bezeichnen.
    Stören wir uns nicht an den Bergen von Blinis und Fleischsoße, die er vor sich aufgebaut hatte, dazu – als Nachtisch gedacht – Kuchen und kandierte Früchte, es war allein die Art, wie er das alles in sich hineinschlang, mit einem Grunzen und Schmatzen, als säße eine Sau an ihrem Trog und wühle mit dem Rüssel im Brei.
    »Aha!« sagte er, als er Milda erkannte, die ihr Kopftuch abnahm und ausschüttelte. Es regnete noch immer, nicht mehr so gewaltig wie in den letzten Tagen, aber es war ein gemeiner Regen, der unaufhörlich die Erde durchweichte, die Wege unpassierbar und die Arbeit auf der Sowchose zu einer wahren Qual machte.
    Der Winter kündete sich schon an.
    In dem Regen pfiff schon ein kalter Wind, es war eine andere Kälte als sonst an kühleren Herbsttagen … es war der Eisatem, der aus Rußlands riesigem Kühlschrank herüberwehte: aus Sibirien …
    »Wer ist denn da, wer ist denn da?« sagte Kuran gemütlich und schmatzte weiter. »So blaß, mein Vögelchen? Du solltest mehr Rote Beete essen, das gibt Blut in den Adern …«
    »Sie haben recht, Kyrill Michailowitsch«, antwortete Milda ruhig. »Mir fehlt Blut. Viel Blut!«
    Sie kam näher, um den Tisch herum und stand nun nahe vor dem kauenden und grunzenden Kuran.
    Er schob gerade eine Blini in den Mund, kaute ächzend, ließ seinen Blick über Mildas Körper gleiten und erinnerte sich anscheinend mit Wohlgefallen, wie sie dagelegen hatte – den Sack über dem Kopf, die Kleider hoch bis zum Hals, ein zartes, aber wohlgerundetes Weibchen, das man genossen hatte wie ein Glas süßen Likörs aus Kasan …
    »Die Küche soll dir eine Woche lang Sahne liefern«, meinte Kuran großzügig. »Sag Bescheid, ich ordne es an. Die schriftliche Bestätigung kommt nach.« Er zeigte auf den Kuchenberg und die kandierten Früchte. »Magst du, Mildaschka?«
    »Danke, Kyrill Michailowitsch.«
    Sie fixierte seinen großen runden Schädel, die Mitte seiner Schädeldecke, und ließ die Axt unter ihrer Achsel herunterrutschen, so daß sie den Stiel zu fassen bekam.
    Kuran war mit seiner Fleischsoße beschäftigt, er goß sie in einen tiefen Teller und griff nach dem Löffel.
    Mit beiden

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