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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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Fluss.
    Der kleine Roboter mit den blanken Glasaugen stand immer noch zu meinen Füßen.
    »Was ist geschehen?«
    »Es hat heftige Eruptionen gegeben«, sagte der Roboter. »Fern von hier, in Sibirien, zu weit weg, als dass man sie hätte hören oder sehen können. Aber sie hatten globale Auswirkungen.«
    Ich erfuhr, dass es keine Vulkane gewesen waren. Magma, »Flutbasalt«, war aus Spalten im Boden gequollen und hatte riesige Landstriche überzogen.
    »Als die Eruptionen begannen, verursachte die Injektion von Staub in die Luft einen abrupten Kälteeinbruch, und es gab mehrere kühle Sommer. Aber seitdem haben die gewaltigen Basaltströme Kohlendioxid und Schwefeldioxid abgegeben.«
    »Treibhausgase.«
    »Ja. Das Ergebnis ist ein Anstieg der Lufttemperatur auf dem gesamten Planeten. Das Leben war hier immer bedroht. Schon ein Temperaturanstieg von einem Grad hat genügt, um viele Pflanzen und die Pflanzenfresser zu töten, die sich von ihnen ernährten…«
    »Und die Fleischfresser, die sich wiederum von ihnen ernährten.«
    »Bisher sind erst wenige Arten wirklich ausgestorben, aber überall ist die Fauna und Flora zerrüttet worden, und Pflanzen- sowie Tierpopulationen sind zusammengebrochen. Das Geschöpf am Fluss ist ein Dicynodontier. Seine Gewohnheit, sich in den Boden zu graben, um Sommerschlaf zu halten, hat es befähigt, die schlimmste Hitze zu überstehen, während andere ihr erlegen sind.«
    »Lass mich raten«, sagte ich. »Es kommt noch schlimmer.«
    »Ganz recht.«
    Ein weiterer abrupter Übergang; ich taumelte schockiert.
    Die glutheiße Sonne war verschwunden. Plötzlich strömte Regen aus einem wolkenverhangenen Himmel und prasselte so heftig auf meinen Kopf und meine Schultern, dass er mir wehtat – und ich merkte, dass mich das Wasser richtiggehend verbrannte, wie eine schwache Säure. Hastig zog ich mir die Jacke über den Kopf. Vor der drückenden Hitze gab es jedoch kein Entrinnen; die Luft war so feucht, dass es mir schwer fiel zu atmen.
    Der Roboter stand geduldig zu meinen Füßen. Regen spritzte von seinem Lack.
    »Scheiße«, rief ich. »Du hättest mich wenigstens warnen können.« Im Rauschen des Regens konnte ich kaum meine eigene Stimme hören.
    »Die Dicynodontier wurden nicht gewarnt.«
    »Weitere Eruptionen?«
    »Ja. Die Trappbasalte pumpen Chlor, Fluor, Schwefeldioxid und Kohlendioxid heraus. Diese Gase verbinden sich mit den oberen Luftschichten und bilden einen Cocktail aus Säuren -Chlorwasserstoff, Schwefelsäure, Kohlensäure…«
    »Saurer Regen.«
    »Ja. Jetzt verbrennen die letzten Bäume und die letzten größeren Pflanzen. Tiere werden bei lebendigem Leib gehäutet. Die Dicynodontier finden nach wie vor Unterschlupf in ihren Löchern, aber außer ein paar Farnen, Moosen und Flechten in Felsspalten am Fluss gibt es nichts mehr zu fressen.«
    »Und es wird noch schlimmer, nicht wahr?«
    »Hätten Sie diesmal gern eine Vorwarnung?«
    »Mach schon.«
    Eine weitere verwirrende Veränderung.
    Es hatte aufgehört zu regnen, und der wolkenlose Himmel gab erneut den Blick auf die Sonne frei. Aber der Himmel war in einem ausgewaschenen Orangebraun getönt, und man sah fast nirgends auch nur ein Fitzelchen Blau. Ich stand immer noch am Fluss, aber das Tal erschien mir nun viel breiter als zuvor; die Ufer waren brutal weggeschmirgelt worden. Der Boden war mit Felsbrocken und Kiesbänken übersät und wurde weiter flussabwärts von Kanälen zerschnitten, die einander kreuzten wie geflochtene Haare.
    Das Land bestand aus nacktem Fels. Nirgends sah ich einen Fetzen Grün; auch das Erdreich fehlte. Es war, als hätte ein riesiges Messer über den Boden geschabt und sämtliches Erdreich, die Pflanzen und Bäume, die Tiere und Insekten abrasiert.
    Der Roboter stand noch immer zu meinen Füßen, unverändert und geduldig. Ich verspürte eine irrationale Wut auf Gea, als hätte sie all diese Verwüstung verursacht. Ich holte tief Atem – und meine Lungen schmerzten. »Meine Güte. Ich bekomme kaum Luft.«
    »Ich muss gestehen«, sagte der Roboter, »dass ich mir ein paar künstlerische Freiheiten herausgenommen habe. Wenn Sie versuchten, die echte Luft dieser Periode zu atmen, würden Sie binnen kurzem an Anoxie sterben.«
    »Was ist passiert, Gea?«
    »Gashydrate«, sagte sie schlicht.
     
    Wegen des Kohlendioxids, das von dem vulkanischen Ereignis in Sibirien in die Luft eingebracht worden war, waren die globalen Temperaturen um mehrere Grade gestiegen. Schließlich begannen die

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