Transzendenz
einen Weg, um mehr darüber herauszufinden, vielleicht nur einen Weg, um dies alles zu lösen.
Sie wandte sich Bale und Reath zu. »Ich mache weiter. Ich folge diesem Weg, bis hin zur Transzendenz. Aber du hast Recht«, sagte sie zu Reath. »Wenn ich tatsächlich in die Transzendenz eintrete, dann aus meinen eigenen Motiven heraus, nicht wegen der Motive anderer. Nicht einmal wegen deinen, Reath.«
Er neigte den Kopf.
»Bale, ich habe mir angehört, was du gesagt hast. Aber ich werde dir nichts versprechen. Nichts. Und ich werde nicht unter Druck handeln. Du gibst meine Schwester jetzt frei.«
Ihre Blicke trafen sich. Dann senkte auch er den Kopf.
Alia hörte einen keuchenden Laut. Sie schaute zur Fähre zurück. Im Schatten des Zeltes war Drea nach vorn gesunken. Die Campocs kümmerten sich ungeschickt um sie.
Alia drehte sich wieder zu Bale um. »Ich dachte, du würdest dir etwas aus mir machen. Aber du hast mich verraten.«
»O Alia…«
»Wenn du jemandem aus meiner Familie noch einmal etwas zuleide tust, wirst du dafür bezahlen.«
Er schwieg und versuchte, seinen Geist vor ihr zu verschließen. Aber sie spürte Furcht. Gut, dachte sie. Vielleicht hat es doch seine Vorteile, Transzendentin zu sein.
Sie machte sich auf den Rückweg zu Reaths Fähre. »Sind wir hier fertig? Was kommt als Nächstes?«
23
Ich schaute durch die Türöffnung in Dunkelheit. Mein Blick wanderte zu meinen Begleitern zurück. Shelley beobachtete mich mit lebhafter Neugier, Vander mit offenkundigem Neid. Auf ihre unterschiedliche Art sehnten sich beide danach, diese Tür zu durchqueren. Aber Gea hatte nach mir verlangt.
Ich trat durch die Türöffnung…
Wamm.
Ich stand im Freien, unter einer grellen Sonne, an einem Flussufer. Der Boden war mit Vegetation bedeckt. Die Luft war furchtbar heiß und feucht.
Als ich mich umschaute, waren Tür und Türrahmen verschwunden. Vermutlich befand ich mich in einer Art immersiver VR. Aber ich hatte nichts von dem Übergang gemerkt; auch die übliche Vorbereitung war ausgeblieben, ich hatte mich weder an einen dunklen Platz noch in einen Isolationstank legen müssen. Ich war einfach hier. Wo auch immer hier war.
Ich trat ein paar Schritte vor. Der breite Fluss schlängelte sich träge dahin, bahnte sich seinen Weg durch ein weites Tal mit etlichen Marsch- und Sumpfgebieten. Dichte Vegetation umgab mich, grün, üppig und kraftvoll. Meine Lederimitatschuhe rutschten auf dem kahlen Stein aus oder blieben in schlammigen Löchern stecken. Ich schwitzte stark und kam mir in meinem Hemd und meiner Jacke, Kleidern für Oklahoma City, lächerlich vor. Für das hier war ich nicht ausgerüstet.
Niemand war zu sehen, kein Anzeichen von Gebäuden oder Fahrzeugen. In meinem Blickfeld rührte sich nichts, nirgends krochen Tiere umher; ich hörte kein anderes Geräusch als das Zirpen irgendeines Insekts. Und am Himmel schwebte kein einziger Vogel.
Doch als der Immersionsschock allmählich abklang, stellte ich mich immer besser auf diese seltsame Umgebung ein.
Es gab jede Menge Moose und Farne, und das Flussufer war von Pflanzen gesäumt, die ich für Bambus hielt, die bei genauerem Hinschauen jedoch eher wie Schachtelhalme aussahen. Ein Stück vom Fluss entfernt drängten sich höhere Bäume zu dichten Gruppen zusammen, umgeben von einem Gestrüpp aus Farnen und Moosen. Bei den Bäumen schien es sich um eine Farnart mit holzigem Stamm zu handeln; die Blätter bündelten sich am Ende der Zweige zu seltsamen Sternenexplosionen. Die Bäume hatten eine gewisse Ähnlichkeit mit Ginkgos. Woanders waren Stellen mit Buschwerk, niedrigen Farnen und einer Art Heide zu sehen. Die Landschaft wirkte sonderbar trist. Alles war von einem tiefen, schlammigen Grün, nirgends eine andere Farbe. Blumen gab es keine. Und seltsamerweise auch kein Gras.
Ich trat nah ans Wasser, hockte mich hin und schob raschelnd das Unterholz beiseite. Die Blätter und Äste waren schwer und feucht; wenn dies eine VR war, dann beeindruckte mich ihr Detailreichtum.
Endlich entdeckte ich eine Bewegung. Ich störte zahlreiche Insekten: Tausendfüßler, Kakerlaken, Käfer. Schnecken und Würmer kochen durch den Schlamm am Rand des Wassers, und eine Libelle flatterte auf hauchzarten Flügeln in die Luft. Erneut fiel mir auf, was es nicht gab: weder Bienen noch Wespen, keine Ameisen, keinen einzigen Termitenhügel. Ich bemerkte eine Kräuselung im Wasser, und ein höckeriger Rücken durchbrach die Oberfläche. Das Wesen sah
Weitere Kostenlose Bücher