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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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schließlich die Menschheit.
    Aber es dauerte seine Zeit. Rund zehn Millionen Jahre lang blieb die Welt öde und leer, ihr ehemaliger Reichtum war verschwunden. Und die Biodiversität sollte erst nach fünfzig Millionen Jahren wieder ihr früheres Niveau erreichen.
    »Vieles wurde gar nicht mehr ersetzt«, sagte der kleine Roboter. »Die alte Ordnung der säugetierähnlichen Reptilien und die stacheligen Bäume, unter denen sie grasten, waren ein für alle Mal verschwunden.«
    »Weshalb zeigst du mir das? Du willst doch nicht behaupten, dass es demnächst wieder solche Eruptionen in Sibirien geben wird?«
    »Nein. Aber es könnte sein, dass sich eine ähnliche kausale Sequenz entfaltet. Die grundlegende Ursache des Artensterbens im Perm waren die sibirischen Trapp-Eruptionen. Ihre Kohlendioxid- und Methanemissionen lösten einen globalen Erwärmungsschub aus, aber der Umschlagpunkt kam, als die Temperaturen so hoch stiegen, dass der Inhalt polarer Gashydratlager freigesetzt wurde. Den Rest hat dann ein positiver Rückkopplungseffekt erledigt.«
    »Heute gibt es keine Basalteruptionen«, sagte ich. »Aber anstelle der sibirischen Trapps…«
    »Die Menschheit«, sagte der Roboter. »Eure Aktivitäten – die jahrhundertelange Injektion von Wärme und Treibhausgasen in die Atmosphäre – hatten genau denselben Effekt wie die Eruptionen im Perm. Und ähnliche Konsequenzen.«
     
    Während ich dort auf jener ausgedörrten, toten Ebene stand, versuchte ich, all das zu durchdenken.
    Ich war mit der Klimaerwärmung aufgewachsen, beladen mit Schuldgefühlen wegen der Ausrottung von Lebensformen und der Umweltzerstörungen in einer Zeit lange vor meiner Geburt. Wie die meisten Menschen hatte mich das wohl allmählich gelangweilt, und ich hatte einfach so weitergelebt wie zuvor. »Es ist, als lebe man mit der Ursünde«, hatte Onkel George einmal zu mir gesagt. »Wir sind jetzt alle Katholiken, Michael.«
    Dann kam Präsidentin Amin. Wir alle durchlitten den großen Trennungsschmerz beim Verzicht auf unsere Automobile und waren auf selbstgefällige Weise stolz aufs Patronat. Die Klimaerwärmung schien uns nicht mehr so schlimm, der Flaschenhals kein solch riskanter Weg mehr zu sein. Sicher, es war eine Katastrophe für jeden, der von einer Überschwemmung oder einem Hurrikan betroffen war. Aber ich hatte gedacht, wir würden uns durchwursteln. Selbst die Parts-per-million-Prognosen der endgültigen Kohlendioxid-Treibhauslast in der Luft begannen zu sinken.
    Und nun erzählte mir Gea, dass ich mir etwas vorgemacht hatte – dass Tom Recht hatte. Auf einer tief liegenden, intuitiven Ebene konnte ich es einfach nicht glauben.
    Gea sagte: »Vielleicht denkt ihr nicht auf die richtige Weise über die globale Erwärmung und den Artenschwund nach. Vielleicht glaubt ihr tief im Innern, die Prozesse der Erde verliefen linear, die Reaktion der Biosphäre werde proportional zu den Schlägen sein, die sie von euch versetzt bekommt. Aber das muss nicht so sein. Die Systeme der Erde sind nur scheinbar stabil. So schwindet beispielsweise der von der Dürre betroffene Regenwald am Amazonas rasch dahin. Die Injektion des von ihm gespeicherten Kohlenstoffs in die Atmosphäre hat die Temperaturen erhöht, was wiederum das Waldsterben beschleunigen wird. Das ist biogeophysikalische Rückkopplung. Und so geht es weiter, im globalen Maßstab -Geo- und Biosphärensysteme schlagen abrupt in andere Zustände um.
    Nicht nur das, die verschiedenen selbst nichtlinearen Faktoren interagieren auch noch auf nichtlineare Weise miteinander: Zerstörung des Lebensraums, Übervölkerung, übermäßige Abholzung, Umweltverschmutzung, Zerstörung der Ozonschicht, alles wirkt zusammen…«
    »Lethe. Du sprichst von Lethe. Von Anti-Gaia.«
    »Wenn man immer so weitermacht, kommt irgendwann ein Punkt, an dem man statt einer weiteren quantitativen Steigerung etwas ganz Neues bekommt, Ereignisse einer anderen Qualität.«
    »Weißt du, ich habe mir wohl eingebildet, du wärst so etwas wie eine elektronische Gaia. Und nun reden wir über den Tod.«
    »Meine Vorstellungskraft umfasst sowohl Gaia als auch Lethe«, erwiderte Gea.
    »Okay.« Ich musste die letzte Frage stellen. »Und wenn die Temperaturen wieder so weit ansteigen, bis der Inhalt der Hydratlager freigesetzt wird?«
    »Dann werden die normalen Wechselwirkungen zwischen dem Leben und der physikalischen Welt vollständig zusammenbrechen. Gaia wird fast sterben.«
    »Das Ende der Welt?«
    »Ach, so hart würde

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