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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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gehört nicht mehr dir und wird dir auch nie wieder gehören.
    Sie ist wie ein Erwachen. Als ich auf mein ganzes Leben bis zu diesem Moment zurückblickte, war es, als hätte ich geträumt. Ich sah all meine Wahrnehmungen der Welt – und sogar die Erfahrungen in meiner Innenwelt – als die partiellen Fantasien, die sie waren. Und ich wusste, falls ich je wieder aus diesem seltsamen neuen Bewusstseinszustand herauskäme, wäre es dies, was mir wie ein Traum erscheinen würde.
    Ich verspürte eine seltsame Zuversicht, obwohl ich wusste, dass ich an einem Ort jenseits meines Begriffsvermögens gelandet war. Ich konnte damit fertig werden, dachte ich.
    Aber wo war ich gelandet? Wenn ich aus dem Traum des menschlichen Daseins erwacht war, wenn ich zum ersten Mal die Augen geöffnet hatte – was sah ich?
    Zunächst einmal gar nichts. Es war nicht so, als hätte ich die Augen geschlossen, sondern eher so, als hätte ich lauter andere Dinge im Kopf und darum den Blick abgewandt. Ich konnte nichts sehen, weil ich nicht schaute; es war eine Frage des Willens. Ich hob meinen metaphorischen Kopf. Ich richtete meine metaphorischen Augen auf etwas. Und ich sah…
    Licht. Es flutete in meinen Geist, strahlend hell, glühend heiß. Mein Stäubchen der Zuversicht wurde verbrannt, verschrumpelt, gesprengt. Ich versuchte zu schreien.
     
    Das Licht verblasste. Ich befand mich wieder in meinem Zustand des Nichtsehens.
    »Ich weiß, was du gesagt hättest, wenn einer deiner Studenten an der Cornell University sich so hineingestürzt hätte.« Die Stimme – sanft, trocken – kam aus dem Nichts, ohne Quelle. Ich hörte sie nicht, ich konnte den Kopf nicht zu ihr drehen. Dennoch war sie da, eine Stimme in einem Traum.
    »Morag?«
    »Alia.« Eine sanfte Trauer färbte ihren Ton. »Ich bin Alia. Ich bin hier bei dir, um dir zu helfen.«
    »Das freut mich«, sagte ich inbrünstig. »Also erzähl mir, was ich gesagt hätte.«
    »Du würdest sagen: Ihr müsst es langsam angehen lassen.«
    »Und zwar zu Recht.«
    »Ich mache mir Vorwürfe«, sagte sie. »Als ich zum ersten Mal in die Transzendenz eintauchte, hatte ich ein monatelanges Training hinter mir – mentale Disziplin, die Entwicklung diverser Fähigkeiten. Außerdem habe ich eine halbe Million Jahre evolutionären Vorsprung vor dir, Michael. Ist nicht böse gemeint. Und ich fand es bei jenem ersten Mal überwältigend. Für dich ist es geradezu unmöglich.«
    »Dann bring mir bei, wie man es langsam angehen lässt, Alia.«
    »Man fängt mit dem ersten Schritt an.« Ich verspürte einen sanften Druck, als hätte sich eine Hand um mein Kinn gelegt, um meinen Kopf zu heben, als wäre ich ein Kind. Metapher, Metapher. Aber Metaphern sind in Ordnung, wenn sie einem verstehen helfen. »Jetzt schau.«
    Ich sah einen schwarzen Himmel voller Sterne – überall um mich herum, über mir und unter mir, als wäre ich ein gestrandeter Astronaut, den man weit von der Erde entfernt im Weltraum zurückgelassen hatte. Ich verspürte jedoch kein Schwindelgefühl; vielleicht war das gelöscht worden. Die Sterne staffelten sich dreidimensional in die Tiefe, aber sie hatten alle dieselbe Farbe, eine Art Gelbweiß. Ich erkannte Muster, Gruppierungen, angedeutete Konstellationen.
    »Sterne. Aber es sind keine Sterne, nicht wahr? Nur eine weitere Metapher.«
    »Eine Metapher wofür?«
    Es war offensichtlich. »Für die Transzendenten. Die Individuen, die zu diesem Gruppengeist beitragen. So wie wir.«
    »Wie ich«, sagte Alia. »Nicht ganz wie du.«
    »Bin ich kein Stern?« Ich verspürte eine unvernünftige Enttäuschung. »Blinke, blinke.«
    »O doch«, sagte sie. »Aber ein Stern besonderer Art.«
    Die Sterne um mich herum gerieten in Bewegung. Jetzt waren sie wie Fische in einem riesigen, dunklen Aquarium. Die Muster, die sie erzeugten, wurden deutlicher, herabsausende Bahnen, Strudel und Lichtskizzen. Und jeder von ihnen war ein Geist, staunte ich. Das Prinzip war mir klar. Die Transzendenz war kein schlichtes Sammelbecken geistiger Wesenheiten, sondern ein dynamisches Netz, und die Sterne waren seine Knoten. Die höhere Bewusstheit der Transzendenz selbst war eine emergente Eigenschaft des Netzes, die aus der Gemeinschaft der geistigen Wesenheiten entstand, ohne die einzelnen Individuen jedoch zu überwältigen. Es hatte etwas mit einem Ameisenhaufen gemein, dachte ich – oder sogar mit Onkel Georges seltsamer Koaleszenz.
    »Jeder sieht so etwas wie das hier«, sagte Alia. »Knoten, Netze…«
    Ich

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