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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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einen kurzen Moment waren ihre gewaltigen Ziele und grenzenlosen Ängste auch meine – und ich sah ihr Dilemma. In diesem Moment akzeptierte ich Leropas Logik ganz und gar. Die Geschichte musste gereinigt werden, so oder so. Und es musste jetzt geschehen…
    Aber Alia flüsterte in mein metaphorisches Ohr: »Michael. Warte. Denk nach. Was würde Morag sagen?«
    Morag?…
    »Du warst schon immer ein Blödmann, Michael Poole.«
     
    Ich glaubte sie sehen zu können, wie einen flüchtigen Schatten im Augenwinkel.
    »Ein Blödmann? Wie charmant.«
    »Du musst dich in alles einmischen, musst überall deine Finger hineinstecken.«
    »Falls du das Hydratprojekt meinst, kriege ich das von Tom schon oft genug zu hören.«
    »Nein, ich gebe zu, das ist nötig. Aber du musstest es durchführen, stimmt’s, Michael? Es passt zu deiner Persönlichkeit wie die Faust aufs Auge, nicht wahr? Eine tolle Rechtfertigung fürs Herumbasteln. Auch zu Hause hast du immer herumgebastelt. All diese sinnlosen Do-it-yourself-Projekte, die du nie beendet hast.«
    »Morag…«
    »Dein halb fertig gestelltes Gewächshaus, das du aufgegeben hast, weil dir das Geld ausgegangen ist. Oder wie du die Hälfte der Fenster im Haus ausgetauscht und die anderen dann drin gelassen hast, weil es dir langweilig geworden ist. Oder wie du…«
    »Morag. Führt das irgendwohin?«
    »Und nun spielst du hier mit der ganzen menschlichen Geschichte herum. Glaubst du, es ist ein Zufall, dass diese komische alte Frau ausgerechnet dich ausgesucht hat? Natürlich willst du die Hände bis zu den Ellbogen hineinstecken. So machst du das halt. Du bist jemand, der sich ständig in alles einmischen muss, Michael. Ein Instrumentalist.«
    Ich seufzte. »Du musst immer gleich übertreiben, nicht wahr?«
    »Na schön. Formulieren wir es so. Du bist kindisch. Du bist wie ein kleiner Junge in einer Kunstausstellung. Du willst die Gemälde anfassen, etwas davon abkratzen, sie verunstalten, deine eigenen Kopien machen, sie in neue Rahmen setzen. Weil du noch nicht reif genug bist, dich einfach zurückzulehnen und die Kunst zu genießen, ohne daran herumzuspielen.«
    Ich dachte darüber nach. »Aber so sind wir nun mal. Wir Menschen, meine ich. Wir sind eine Gattung, die Dinge tut.«
    »Nicht unbedingt«, sagte Alia jetzt. »Es gibt andere Seinsweisen.« Und sie erweiterte mein Blickfeld erneut.
    Ich sah ein Spektrum geistiger Wesenheiten hier innerhalb der Transzendenz selbst, und weitere jenseits ihrer sich noch immer ausdehnenden Mauern. Ich spürte diese verschiedenen Geistwesen, als hörte ich Stimmen an den Enden langer Korridore. Sie waren alle menschlich oder nachmenschlich, und die meisten ähnelten mehr oder weniger meinem eigenen Geist. Aber sie verkörperten andere Denkweisen, andere Lebensweisen – zum Beispiel die seltsamen Koaleszenten in ihren riesigen Schwärmen, fruchtbar und statisch; sie waren hier.
    Und dank Alias sanfter Führung stieß ich auf einen Zweig der Menschheit, ein Volk, das sich vor langer Zeit auf einer Welt im Sagittarius-Arm angesiedelt hatte. Es war eine Wasserwelt, wie eine von einem nahezu weltumspannenden Ozean überflutete Erde. Die hiesigen Menschen – oder vielmehr Nachmenschen – hatten Kleidung, Raumschiffe und sogar Werkzeug aufgegeben und otterngleiche Körper entwickelt, und nun verbrachten sie ihr gesamtes Leben in der endlosen Stille des Wassers.
    Alia sagte: »Sie haben auch den Verstand aufgegeben. Und sie waren sich dessen bewusst. Was man nicht benutzt, das verliert man. Aber es war ihnen egal…«
    Ich verstand es nicht. »Sie konnten so viel mehr tun. Sie haben es früher einmal getan. Aber dann haben sie mit all dem aufgehört. Und sie haben sich verwundbar gemacht. Ein Vulkanausbruch, ein Asteroideneinschlag…«
    »Es ist ihnen egal! Sie haben die Gegenwart, sie haben einander, und das reicht.«
    »Warum haben wir dann überhaupt erst Intelligenz entwickelt?«
    »Weil es Umstände gibt, unter denen das die einzige Möglichkeit ist.«
    Der Klimawandel hatte die schimpansenähnlichen Vorfahren der Menschheit aus ihren angestammten Wäldern vertrieben. Die Savanne war eine unwirtliche Umgebung; dort war man Temperaturextremen ausgesetzt, konnte leicht von Räubern erspäht werden, und Wasser und Nahrungsquellen waren weit verstreut. Damit die Menschheit überleben konnte, musste ihre Intelligenz rapide anwachsen.
    »Man muss schlau sein, wenn man sich in einer feindlichen Umgebung herumtreibt«, sagte Alia. »Aber falls man

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