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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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nervöses Zucken! Passiert mir immer wieder. Was soll ich sagen?«
    Er musste einen Scan mit einem Handsensor über sich ergehen lassen. Schließlich sprach die Stewardess jedoch in ein Reversmikro und sorgte dafür – mit einem gewissen Widerstreben, wie ich fand –, dass die Fessel ihn freigab und wieder in den Korpus seines Sitzes glitt.
    Jack wandte sich zu mir. »Haben Sie das gesehen? Wenn man ins Flugzeug steigt, hat man alle Checks, die Psychoprofile und so weiter hinter sich gebracht, und dann sitzt man an seinem verdammten Platz und glaubt, dass sie einem nun endlich vertrauen. Von wegen. Eine falsche Bewegung, und zack, schon ist man gefesselt wie eine Laborratte. Ich meine, was könnte man tun? Jemandem die Augen auskratzen? Lethe, selbst dieses Schnapsglas ist unzerbrechlich. Wenn ich es an die Wand werfe…« Er hob den Arm.
    »Schon gut«, sagte ich rasch, »ich glaube Ihnen.«
    Er lachte und trank einen Schluck von seinem Drink. »So ist das nun mal, Mike – darf ich Sie Mike nennen?«
    »Michael.«
    »So ist das nun mal, Mike. Lethe, so ist das nun mal.« Mit einem grunzenden Seufzer lehnte er sich in seinen Liegesitz zurück und stieß die Schuhe von sich, was nicht gerade zur Verbesserung meiner unmittelbaren Umgebung beitrug.
    Lethe. Irgendwo hatte ich jemanden schon einmal mit diesem Wort fluchen hören. John, dachte ich; John benutzte es manchmal.
    Die Stewardess kam wieder vorbei und überprüfte, ob wir startbereit waren. Sie warf mir einen mitfühlenden Blick zu. Hätten Sie gern etwas mehr Privatsphäre? Ich zuckte kaum merklich die Achseln.
    Das Flugzeug machte einen Satz nach vorn, und ich wurde in meinen Sitz gedrückt; ich spürte, wie er sich an meinen Körper anpasste. Ich hatte die Triebwerke nicht einmal starten hören. Mit einem Wort verwandelte ich meine intelligente Wand in ein Fenster und sah zu, wie die überschwemmte Landschaft von Florida unter mir zurückwich, bedeckt von Teichen und Seen, die wie Spritzer geschmolzenen Glases in der Sonne glänzten.
     
    Sobald wir unsere Reiseflughöhe erreicht hatten, vertiefte ich mich in eine Softscreen-Studie der Klimaveränderungen an den Polen. Eigentlich ein ödes Seminarthema, aber nach Tom hatte es auf einmal einen persönlichen Bezug.
    Natürlich hatte alles mit der Klimaerwärmung angefangen; bei sämtlichen Suchen, die ich durchführte, kam ich immer wieder darauf zurück. Jahrzehntelang hatte sich Kohlendioxid doppelt so schnell in der Luft angesammelt, wie es durch natürliche Prozesse wieder abgebaut werden konnte. 2047 erreichte seine Konzentration den höchsten Stand in den letzten zwanzig Millionen Jahren – ein schockierender Gedanke. Die Folgen waren auf niederschmetternde Weise vertraut: Eis schmolz, Meeresspiegel stiegen, Ökosysteme lösten sich auf. Und da diese ganze in die Luft und die Meere gepumpte Wärmeenergie ja irgendwohin musste, gab es mehr Hurrikane und Unwetter, Überschwemmungen und Dürren als früher.
    Und so weiter. Ich überflog das alles und versuchte, etwas über die Arktis herauszufinden.
    An den Polen verstärkt sich die Erwärmung. Offenbar gibt es dort einen positiven Rückkopplungseffekt; wenn das Eis schmilzt, sinkt die Albedo des Bodens – er reflektiert weniger Sonnenlicht –, sodass der Boden und das Meer mehr Wärme aufnehmen. Im Ergebnis sind die Temperaturen dort bisweilen zehnmal so schnell gestiegen wie in der übrigen Welt. Im Norden gab es inzwischen kein Eis mehr, und seltsame Unwettersysteme wirbelten von dieser rotierenden Wasserschüssel herab und brachen über das Land herein. Früher hatte das Packeis das Land vor Meeresstürmen und den schlimmsten Verwüstungen durch die Wellen geschützt. Jetzt fand überall um den arktischen Ozean herum eine »rapide«, »dramatische« oder gar »traumatische« Küstenerosion statt, wie ich las. Gleichzeitig schmolz der Permafrost, die tief in den Erdboden hinabreichende Eiskappe. Das hatte ich in Sibirien gesehen; auf einem Boden, der sich wellte wie die Meeresoberfläche, brachen Straßen auf, Gebäude versanken einfach im Erdreich, und in den riesigen, weltumspannenden Taiga-Wäldern kippten Bäume um.
    Natürlich traf das alles die Menschen. Wie Tom gesagt hatte: Noch vor fünfzig Jahren waren viele Einwohner Sibiriens Jäger und Sammler gewesen und den Rentieren gefolgt. Jetzt gab sogar der Boden unter ihnen nach.
    Und dann war da das Methan.
    Physikalisch war die Sache eigentlich ganz einfach. Aufgrund ihrer speziellen Geometrie

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