Transzendenz
Stimmen, die Alia nicht hören konnte. Aber schließlich war sie zu einem bestimmten Zweck hier: zur Vorbereitung auf die zweite Stufe ihrer Ausbildung, die Implikation der unvermittelten Kommunikation. Diese seltsamen kleinen Männer besaßen also offenbar Eigenschaften, die über Alias Verstand gingen, auch wenn sie noch nicht wusste, welche es sein mochten; sie mussten der wahren Transzendenz mindestens einen Schritt näher sein als jeder, dem sie bisher begegnet war.
Und abgesehen von dieser unbehaglichen Erkenntnis hatte sie den Eindruck, dass die drei sie irgendwie auf berechnende Weise musterten, als verfolgten sie ihre eigenen Ziele in Bezug auf ihren Besuch. Insbesondere Bale starrte sie an; seine Nase war klein, der Mund ein farbloser Strich, die Augen wie wellenlose Teiche.
Er fragte: »Geht es dir schon besser?«
»Ich glaube schon.« Sie wollte sich ihm gegenüber keine Schwäche oder Nervosität anmerken lassen. »Diese Gebäude da – sind die unser Ziel?«
»Ja.«
»Dann los.« Sie lief über das Vorfeld. Zu ihrem Erstaunen ermüdete sie binnen weniger Schritte. Verblüfft schaute sie sich zu Bale um.
Er erklärte ihr sanft, sie müsse lernen, wie man sich in einem Hochschwerkraftfeld richtig verhalte. In geringer Schwerkraft sei das Laufen leichter; man verbringe die meiste Zeit in der Luft, während man über den Boden tappe. Aber hier, wie auch auf der alten Erde, sei die Schwerkraft so hoch, dass es energetisch tatsächlich effizienter sei, langsam zu gehen, Schritt für Schritt dahinzustapfen, statt zu laufen. Das kam ihr absurd vor, aber sie hatte auf der Wasserwelt nicht weit genug gehen müssen, um diese subtile Lektion zu lernen. Bale zeigte ihr, wie man es machte, und ein paar Experimente bewiesen ihr, dass er Recht hatte.
Dann gingen sie zu der kleinen Siedlung.
Die Gebäude waren schlichte Würfel und Zylinder, so gedrungen und massiv wie die Menschen, die sie erbaut hatten. Keines von ihnen war groß; es waren nur Ansammlungen weniger, dicht gedrängter Räume. Und alle Gebäude waren Kästen aus Eisen, einem Material, das aus dem Boden stammte. Servitormaschinen arbeiteten in winzigen Gärten, leuchtend grünen Flecken inmitten der vorherrschenden Rostfarbe.
»Willkommen in unserem Heim«, sagte Bale. Er zeigte auf einen nichts sagenden Bau. »Dort leben wir, und dort wirst auch du wohnen.«
Alia war hierher gekommen, um zu studieren; sie hatte etwas Offizielleres erwartet. »Wo ist das Seminar?«
»Wir haben kein Seminar«, sagte Denh, oder vielleicht war es Seer.
Bale legte eine schwere Faust auf sein Herz. »Wir sind an dem interessiert, was hier drin ist. Nicht an Gebäuden.«
Alia seufzte. »Na schön.« Sie ging weiter, gefolgt von ihrem schwerfälligen Gepäck, und hielt Ausschau nach ihrem Zimmer. Sie musste sich bücken, um nicht an die Decke zu stoßen.
13
Wir landeten in Heathrow.
Der riesige Flughafen war wie alle Flughäfen erheblich geschrumpft. Unsere Maschine war eine Mücke, die zu einem ausgedehnten Asphaltteppich hinabsank, auf dem früher alle drei Minuten ein Flugzeug gelandet war, Tag und Nacht. Nun bewegte sich dort nichts außer den Mäusen und dem Gras im Wind. Aber am Rand des Geländes waren Bauarbeiten im Gang. Dort sollte ein Themenpark entstehen. Der Inhalt sämtlicher Luftfahrtmuseen Großbritanniens wurde hier abgeladen, Jaguars, Harriers und Tornados, altehrwürdige Spitfires, Lancasters und Hurricanes aus dem Zweiten Weltkrieg, die über hundert Jahre alt waren, aber noch immer flogen, ja sogar ein oder zwei Concordes. Aus der Luft sahen die alten Flugzeuge wie Vögel aus, die für immer am Boden festgenagelt waren.
Während wir die Gebäude des Terminals durchquerten und weitere gründliche Sicherheits-Checks der britischen Zollkontrolle über uns ergehen ließen, kam Jack Joy zu mir und fragte mich, ob ich mit ihm nach London fahren wolle; er habe ein Hotel gebucht, den Leuten dort könne er bestimmt noch ein Zimmer aus dem Kreuz leiern, vielleicht könnten wir ja was trinken oder uns eine Show ansehen und so weiter. Ich hatte eigentlich einfach nur auf Toms Ankunft warten wollen – er sollte in ein paar Tagen kommen. Doch jetzt, wo wir aus dem Käfig des Flugzeugs entlassen worden waren, konnte ich es kaum erwarten, Joy und seinen »Realismus« loszuwerden.
Abgesehen davon hatte ich bereits beschlossen, nicht in London zu bleiben. Als ich in der summenden Stille des Flugzeugs gesessen und über die Vergangenheit und die
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