Trau dich endlich!: Roman (German Edition)
Holly verbringt die Nächte gleich nebenan, und tagsüber ist sie immer bei mir oder bei meinem Vater. Wir lassen sie keine Sekunde aus den Augen.«
»Das ist mir egal«, sagte Marlene mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Ich nehme sie mit nach Hause, wo sie sicher ist. Du kannst froh sein, wenn ich nicht das alleinige Sorgerecht für sie beantrage. Du hast sie einer Gefahr ausgesetzt, und so wird es auch weiterhin sein, solange du mit dieser Frau zusammen bist.«
Wut und Panik erfassten Derek bei ihren achtlos ausgesprochenen Worten. Er hatte schon so viele Verluste in seinem Leben hinnehmen müssen – seine Mutter hatte ihn verstoßen, seine Familie war auseinandergefallen … Er hatte Holly schon einmal verloren, hatte sich in seinen Entscheidungen von den Schuldgefühlen leiten lassen, weil er zu viel gearbeitet und seine Frau zu wenig geliebt hatte. Er hatte sich von Marlene einreden lassen, er hätte keine Beziehung zu seinem Kind aufgebaut.
Aber damit war jetzt endgültig Schluss. »Meine Tochter hat für mich oberste Priorität«, wiederholte er. »Treib es nicht zu weit.« Seine Kehle war wie zugeschnürt, solche Angst hatte er, Holly erneut zu verlieren, aber er blieb hart.
Da polterte seine Tochter zur Tür herein, gerade rechtzeitig, ehe der Streit noch weiter eskalierte. »Wir sind wieder da-ha!«
Derek küsste Holly und drückte sie an sich. »Kommendes Wochenende fahre ich nach New York und hole dich ab, versprochen. Oder deine Mom und ich treffen uns auf halbem Weg in Connecticut, ganz wie sie möchte.« Er blickte über Hollys Kopf hinweg zu Marlene, als wollte er sagen: »Wag es ja nicht, mir vor unserer Tochter zu widersprechen!«
Gabrielle hielt sich unauffällig im Hintergrund.
»Ich warte im Auto, Holly«, sagte Marlene steif, ergriff die große Reisetasche mit Hollys Sachen und marschierte hinaus.
»Wann bin ich endlich alt genug, um zu fliegen, Dad?«, quengelte Holly. »Dann wäre ich viel schneller hier.«
Derek lachte. »Das muss ich noch mit deiner Mutter besprechen. Aber zumindest kannst du mich jederzeit anrufen. Meine Nummern sind alle in deinem neuen Handy eingespeichert.«
»Für deine Handynummer drücke ich die Zwei, für dein Festnetz die Drei und für Grandpas Festnetz die Vier«, ratterte sie herunter. Derek hatte ihr die entsprechenden Kurzwahlnummern in den vergangenen zwei Tagen immer wieder vorgebetet.
Er fuhr ihr durch die Haare und grinste. »Ich fand es klasse, dass du hier warst, und das weißt du auch, oder?«
Sie nickte. Plötzlich hatte sie feuchte Augen. »Schade nur, dass …«
»Ich weiß.« Er wollte das Ende des Satzes nicht hören. Ganz gleich, ob sie bedauerte, dass sich ihre Eltern getrennt hatten oder dass er so weit entfernt lebte, er hätte es jetzt nicht ertragen können, es zu hören.
»Gib Fred einen dicken Kuss von mir und sorg dafür, dass er mich nicht vergisst, ja?«, trug ihm Holly auf.
Derek nickte bloß.
Nachdem er sie zum Wagen gebracht und ihr nachgewinkt hatte, war er ein seelisches Wrack. Er hatte keine Lust, die Ereignisse des heutigen Tages zu diskutieren, geschweige denn Gabrielles ungenierte Recherchetätigkeit für ihr Buch, die für Mary Perkins der reinste Affront sein musste.
Er hatte auch nicht die Absicht, zu erwähnen, dass Marlene gedroht hatte, ihm das Sorgerecht zu entziehen. Seine Gedanken kreisten nur noch um die Leere, die in seinem Herzen herrschte, nun, da Holly weg war – und um die Furcht, Marlene könnte sie ihm endgültig wegnehmen.
Als Gabrielle tags darauf erwachte, war Derek schon aufgestanden. Hoffentlich war er heute besser aufgelegt. Sie hatte ihn gestern Abend bewusst in Ruhe gelassen, weil sie sich lebhaft vorstellen konnte, wie schwer es für ihn gewesen sein musste, Holly so bald wieder an seine Ex-Frau zu übergeben. Gabrielle hätte ihn gern getröstet, sei es in Form einer Umarmung oder auch mehr, aber er war bloß neben ihr ins Bett gestiegen, hatte sich mit dem Rücken zu ihr zusammengerollt und war eingeschlafen.
Es wäre gelogen gewesen, zu behaupten, dass sie nicht enttäuscht war.
Nun näherte sie sich mit vorsichtigem Optimismus der Küche.
Er saß am Tisch, trank seinen Kaffee und las die Zeitung.
»Guten Morgen«, trällerte sie mit gekünstelter Fröhlichkeit.
»Morgen.«
Sie machte sich Kaffee, fügte Milch und Süßstoff hinzu und setzte sich zu Derek an den Tisch. »Gut
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