Trau dich endlich!: Roman (German Edition)
um mit jemandem darüber zu sprechen. Dasselbe galt für den verdammten Fluch. Er hatte gehofft, ihn einfach vergessen zu können.
Marlene war trotzdem über Gabrielle im Bilde. Während der Schwangerschaft hatte Derek sie einmal mit nach Stewart genommen, um ihr seine Familie vorzustellen, und bei dieser Gelegenheit hatte Hank sie umfassend über die Vergangenheit seines Sohnes aufgeklärt. Bei einem Spaziergang in die Stadt hatte sie dann weitere Einzelheiten erfahren. Gabrielle war damals zwar längst Geschichte gewesen, doch Tratsch und Klatsch hatten die Geister der Vergangenheit wieder aufleben lassen und dafür gesorgt, dass sie fortan zwischen den Frischvermählten stand.
Erst mit der zweiten Eheschließung hatte Marlenes Verbitterung dann ein wenig nachgelassen. Vor der Hochzeitsreise nach Europa hatte sie sich sogar ungewohnt umgänglich präsentiert, doch heute war sie offenbar auf der Hut und zeigte sich wieder von ihrer zickigen Seite. Derek wollte diese für alle Beteiligten unerquickliche Situation so schnell wie möglich hinter sich bringen.
»Ich dachte, du wolltest erst morgen kommen«, bemerkte er.
»Ich wollte Holly überraschen.« Marlene schlang ihrer Tochter einen Arm um die Schultern.
Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Genau diese Taktik hatte sie schon früher angewendet, um ihm Holly nach Belieben zu entziehen. Er musste ihr klarmachen, dass er sich das nicht mehr bieten ließ. »Holly, Schätzchen, geh doch schon mal mit Gabrielle rüber zu Grandpa und pack deine Sachen. Ich würde gern unter vier Augen mit deiner Mutter sprechen.«
»Okay.« Holly hopste auf Gabrielle zu, nahm ihre Hand und marschierte mit ihr zur Tür.
»Wohnt Holly denn nicht hier bei dir?«, fragte Marlene alarmiert.
Gabrielle zuckte zusammen, doch Derek bedeutete ihr mit einer Kopfbewegung, ihn alleinzulassen. Er würde schon mit Marlene fertigwerden.
Er wartete ab, bis die beiden die Tür hinter sich geschlossen hatten. »Es ist etwas kompliziert«, sagte er dann. »Holly hat bis vor ein paar Tagen hier geschlafen.« Er erklärte Marlene die Situation, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen, und schloss damit, dass Hollys Sicherheit für ihn oberste Priorität habe.
»Am sichersten wäre sie hier bei dir«, wandte Marlene ein. »Und zwar allein, aber das Wohlergehen deiner Freundin ist dir offenbar wichtiger als das deiner Tochter.«
Derek schüttelte den Kopf, wusste jedoch, dass es keinen Sinn hatte, Marlene zu widersprechen, wenn sie sich erst einmal eine Meinung gebildet hatte. Und wenn sie beschlossen hatte, Gabrielle zu hassen, konnte nichts und niemand etwas daran ändern.
Also wechselte er das Thema. »Setzen wir uns doch. Wir müssen uns über Überraschungen wie die heutige unterhalten. Immer wieder nimmst du dir das Recht heraus, meine Besuchszeit zu beschneiden.«
Marlene hob eine Augenbraue, blieb aber stehen. Ihre Haltung wirkte gereizt und feindselig.
»Was gibt es dagegen einzuwenden, wenn ich meine Tochter vermisse und ihretwegen früher heimkomme?«
Derek atmete langsam aus. »Nichts. Ich verstehe ja, dass sie dir gefehlt hat. Aber ich hatte angenommen, wir hätten in dieser Hinsicht endlich Fortschritte gemacht. Wenn das hier nur eine einmalige Sache ist, weil du sie wirklich vermisst hast, dann meinetwegen. Aber ich möchte, dass du begreifst, wie wichtig mir meine Zeit mit Holly ist. Ich bekomme sie ohnehin nicht so oft zu sehen, wie ich es gerne hätte, und deshalb würde ich es sehr zu schätzen wissen, wenn du dich in Zukunft an unsere Abmachungen hältst und ihre Besuche bei mir nicht willkürlich verkürzt oder in letzter Minute absagst.« Er gab sich Mühe, nicht allzu tadelnd zu klingen, sondern ruhig und vernünftig.
Marlene verschränkte die Arme vor der Brust und musterte ihn abschätzig. »Ich finde, das ist ein ziemlich unpassender Zeitpunkt, um auf dein Besuchsrecht zu pochen, Derek. Deine Freundin stellt ganz offensichtlich ein Risiko dar, und indem du sie bei dir aufgenommen hast, hast du unsere Tochter gefährdet.«
Der Vorwurf traf ihn tief, nicht zuletzt deshalb, weil mehr als nur ein Körnchen Wahrheit darin lag. Natürlich konnte Marlene nicht nachvollziehen, dass er um Gabrielles Wohl genauso besorgt war wie um das seiner Tochter, ohne einer von ihnen den Vorrang zu geben.
Er versuchte, seinen Standpunkt möglichst sachlich darzulegen, ohne emotional zu werden. »Das ist nicht fair.
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