Trau dich endlich!: Roman (German Edition)
noch tiefer und seine Miene noch grimmiger.
»Ist etwas nicht in Ordnung?«, erkundigte sich Gabrielle, sobald er aufgelegt hatte.
»Frag lieber, was eigentlich noch in Ordnung ist. Das war mein Vater. Anscheinend hat Marlene beschlossen, schon einen Tag früher herzukommen. Sie wartet zu Hause auf mich.« Er wandte sich um und ging voran zur Tür.
Gabrielle folgte ihm. Sie schauderte. Nicht wegen Dereks schlechter Laune. Der Grund dafür war vielmehr die Aussicht, seine Ex-Frau kennenzulernen.
Kapitel 16
Vor seiner Haustür verharrte Derek einen Augenblick. Er war noch nicht bereit, Marlene gegenüberzutreten oder seine Tochter gehen zu lassen.
Gabrielle legte ihm eine Hand auf die Schulter. Eine tröstliche Geste, die mehr sagte als tausend Worte.
Ich verstehe dich.
Sie kannte ihn eben besser als jeder andere Mensch auf Erden. Sie stand zu ihm, obwohl er sie gerade angefahren hatte, weil sie wusste, dass es aus Frust und aus Angst um ihre Sicherheit geschehen war.
»Lass dir Zeit«, sagte sie schließlich.
Er nickte, atmete tief durch und öffnete die Tür einen Spalt breit. Sogleich drang Hollys Stimme an ihre Ohren. An ihrem aufgeregten Wortschwall war deutlich zu erkennen, wie sehr sie sich freute, ihre Mutter wiederzusehen. Sie war offenbar gerade dabei, Marlene zu erzählen, was sich in den vergangenen Wochen in ihrem Leben getan hatte.
»Und dann ist Dad mit mir einkaufen gefahren, weil Fred meine Flipflops ruiniert hat, und unterwegs mussten wir noch zur Bücherei, weil es an meiner Schule doch dieses Programm gibt, dass man eine Gratis-Pizza bei Pizza Hut bekommt, wenn man so und so viele Bücher liest …«
»Ja, ich erinnere mich«, sagte Marlene gerade, als Derek unbemerkt eintrat. »Und, hast du fleißig gelesen?«
»Na ja, geht so. Jedenfalls habe ich ein paar Bücher zurückgebracht und mir neue ausgeliehen, und dann später, als wir im Einkaufszentrum die Flipflops gekauft hatten, haben wir Gabrielle Donovan getroffen. Sie ist echt toll, Mom. Du wirst sie bestimmt mögen. Sie hat immer supercoole Klamotten an, und sie spricht Französisch. Ach ja, und sie war in der Highschool Dads Freundin. Aber das war, bevor ihr zwei euch kennengelernt habt.«
Derek beschloss, dass sie jetzt wirklich mehr als genug ausgeplaudert hatte, und rief: »Hallo?«, als wäre er eben erst hereingekommen.
»Dad!« Holly und Marlene sahen ihnen entgegen, als er, gefolgt von Gabrielle, ins Wohnzimmer trat. »Sieh mal, wer hier ist!«
»Ich weiß, Grandpa hat mich angerufen und mir erzählt, dass deine Mom einen Tag eher gekommen ist.« Er warf Marlene einen langen, strengen Blick zu, um ihr zu signalisieren, dass er diese Art von Überraschung nicht zu schätzen wusste. »Wie war’s in Europa?«, fragte er sie.
»Einfach herrlich.« In ihrem Gesicht mit den rosigen Wangen spiegelte sich deutlich wider, wie gut es ihr ging. Sie trug das braune Haar ein ganzes Stück kürzer, und der freche neue Schnitt passte hervorragend zu ihr.
Sie sah blendend aus und glücklich, und Derek gönnte es ihr von ganzem Herzen.
Marlene erhob sich und deutete auf Gabrielle. »Möchtest du uns nicht vorstellen?« Es klang, als würde sie ein Kleinkind für seine schlechten Manieren rügen.
»Das ist Gabrielle, Dads Highschool-Freundin, von der ich dir gerade erzählt hab«, verkündete Holly mit dem Taktgefühl einer ahnungslosen Elfjährigen.
Derek unterdrückte ein Stöhnen. »Äh, ja, das wollte ich gerade tun.« Marlene schien sich bedroht zu fühlen. Hätte er sich eigentlich denken können, dabei hatte er sie nur höflichkeitshalber zuerst nach ihrer Reise gefragt. Nachdem er sie pflichtschuldig miteinander bekanntgemacht hatte, trat Gabrielle auf Marlene zu, um ihr die Hand zu schütteln.
»Hallo, Marlene. Ich habe von Holly und Derek schon so viel über Sie gehört«, sagte Gabrielle lächelnd.
Nur Derek konnte erahnen, wie unwohl sie sich in ihrer Haut fühlte.
»Leider kann ich nicht dasselbe von Ihnen behaupten«, entgegnete Marlene. »Derek hat Sie nie erwähnt.«
Das entsprach der Wahrheit. Bei ihrer ersten Begegnung war er noch vollauf damit beschäftigt gewesen, Gabrielle zu vergessen, aber auch später hatte er nie über sie geredet. Er hatte anfangs nur erwähnt, er habe gerade eine lange Beziehung hinter sich. Sein Kummer war noch zu frisch gewesen, seine Gefühle für Gabrielle ein zu persönliches Thema,
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