Trau dich endlich!: Roman (German Edition)
will diesem Unsinn endlich ein Ende bereiten«, verkündete Gabrielle entschlossen.
Jahrelang hatte sie zahlreiche übersinnliche Erscheinungen von Geistern bis hin zu UFO-Landungen erklärt, nur vor dem Thema Verwünschung war sie bislang stets zurückgeschreckt. Doch es hatte nichts genützt; sie war nie über den Verlust ihrer großen Liebe hinweggekommen. Der Corwin-Fluch hatte ihr den Mann genommen, den sie liebte, weil Derek daran glaubte. Wenn es den Fluch nicht gegeben hätte, dann wäre sie wohl längst mit Derek verheiratet, hätte vielleicht sogar Kinder mit ihm. Sie wäre trotzdem Schriftstellerin geworden, weil ihr das Schreiben im Blut lag, doch wie anders hätte ihr Privatleben ausgesehen! Nun wollte sie dem Thema nicht länger aus dem Weg gehen. Es war an der Zeit, ihre Geschichte aufzuarbeiten, den Geistern der Vergangenheit ins Auge zu blicken und die Weichen für die Zukunft zu stellen.
»Was meinst du, wie werden sie reagieren?«, fragte Sharon.
Gabrielle zuckte die Achseln. »Darüber darf ich mir gar nicht erst Gedanken machen. Ich muss es tun – für mich.«
Nach dem Schulabschluss hatte sie in Florida unter anderem Verhaltenspsychologie studiert und mit der Zeit gelernt, beim Schreiben ihren Gefühlen auf den Grund zu gehen. Sie hatte Dereks Überzeugungen nichts entgegensetzen können, und es war ihr völlig unbegreiflich gewesen, wie er hatte zulassen können, dass ein vor Jahrhunderten ausgesprochener Fluch ihre gemeinsame Zukunft zunichtemachte.
Gabrielle wollte verstehen, wie es kam, dass sich ein Mensch mit einem freien Willen in seinem Verhalten von Dingen beeinflussen ließ, die gar nicht existierten. Sie wollte begreifen, warum der Mann, den sie liebte, und von dem sie annahm, dass er sie ebenfalls liebte, mit ihr Schluss gemacht hatte, nur weil er glaubte, er wäre verflucht.
»Ich kann einfach nicht fassen, dass Richards Zukunft von einem lächerlichen alten Mythos abhängen soll«, bemerkte Sharon.
Gabrielle schenkte ihr ein schiefes Lächeln. »Warum nicht? Bei mir war es doch auch so.«
Sharon schlug sich die Hand vor den Mund. »Entschuldige! «, rief sie. »Wie dumm von mir. Ich hab nicht nachgedacht. «
»Keine Sorge; ich ziehe dich bloß auf. Das Dumme ist nur: Wenn Menschen an solche Phänomene glauben, dann stützen sie sich dabei meist auf ›Beweise‹, die nur schwer zu widerlegen sind. In diesem Fall hat sich die Geschichte so oft wiederholt, dass es tatsächlich so aussieht, als würde ein Fluch auf der Familie lasten.« Genau deshalb hatte Gabrielle auch vor, Nachforschungen anzustellen.
Sharon zog die Nase kraus. Das Thema war ihr sichtlich zuwider. »Du meinst, weil bislang alle Corwin-Männer Pech in der Liebe hatten, glauben die Leute, dass eine Hexe dahintersteckt?«
»Nicht nur. Es hat auch damit zu tun, dass sich die Nachfahren dieser Mary Perkins, die seit Generationen das Regiment in der Stadt führen, das Pech der Corwins bewusst zunutze machen, um ihre Machtposition zu stärken. Sie manipulieren die Bürger, indem sie ständig an den Fluch erinnern und damit deren Furcht schüren.«
Sharon nickte. »Stimmt. Die derzeitige Bürgermeisterin hat durchblicken lassen, dass sie genau wie ihre Namensvetterin vor hundertdreißig Jahren in der Lage ist, ihre Widersacher zu verwünschen. Je mehr Richard versucht, Wählerstimmen für sich zu gewinnen, desto hartnäckiger erinnert sie an die Vergangenheit und an ihre Macht.«
»Wie das?«, wollte Gabrielle wissen. Es war ihr schleierhaft, wie eine ganz normale Frau so viel Einfluss auf die Stadtbewohner ausüben konnte.
»Nun, vor kurzem kam zum Beispiel ein großer Bauunternehmer in die Stadt, um mehrere Grundstücke zu erwerben, auf denen er ein Seebad errichten wollte. Doch Mary ist sehr darauf bedacht, niemanden in ihre Nähe kommen zu lassen, der ihre Macht ins Wanken bringen könnte. Also hat sie die Grundbesitzer gezwungen, das Land stattdessen ihr zu verkaufen, zu einem weitaus niedrigeren Preis.«
Gabrielle erhob sich und strich die Falten in ihrem Leinenrock glatt. »Wie denn das? Warum sollte sich jemand auf einen solchen Handel einlassen?«
Sharon erhob sich ebenfalls. »Tja, Mary hat sie quasi enteignet, mit dem Argument, die Stadt hätte Anspruch auf das betreffende Land, weil es dem Allgemeinwohl diene. Sie hat den einzelnen Besitzern gedroht, sie anderenfalls vor Gericht zu bringen. Sie würde den Prozess ohnehin gewinnen,
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