Trau dich endlich!: Roman (German Edition)
ihr Ex-Freund Tony lebte.
Gabrielle hätte ihrer Freundin am liebsten ordentlich den Kopf gewaschen, hielt sich jedoch zurück. Das konnte sie nachher immer noch tun. »Rühr dich nicht von der Stelle. Ich komme, so schnell ich kann.«
»Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann«, seufzte Sharon.
Es dauerte dann doch fast eine Stunde, bis Gabrielle bei dem genannten Motel eintraf, teils wegen des Verkehrs, teils, weil sie die richtige Ausfahrt verpasst hatte. Auf dem Parkplatz erspähte sie bereits den Wagen ihrer Freundin.
Im selben Augenblick kam Sharon auch schon aus einem Seiteneingang. Sie trug eine dunkle Hose, ein schwarzes ärmelloses Top und eine Baseballmütze, auf der auch noch eine Sonnenbrille steckte. »Ich habe meinen Automobilclub angerufen. Es ist bereits jemand unterwegs. Sobald sie meinen Wagen abgeschleppt haben, können wir los.«
Gabrielle nickte, setzte sich auf den Gehsteigrand und bedeutete Sharon, es ihr nachzutun. »In der Zwischenzeit kannst du mir ja erklären, warum du aussiehst wie ein Fassadenkletterer. Ich hoffe, du hast einen guten Grund dafür, sonst muss ich dich nämlich verhaften lassen.«
Sie hob abwartend eine Augenbraue.
Sharon holte tief Luft. »Ich hab Tony bespitzelt«, stieß sie hervor.
Gabrielle riss den Kopf herum und starrte sie entgeistert an. »Du hast was?«
»Es klingt schlimmer als es ist. Ehrlich. Ich wollte nur mal mit eigenen Augen sehen, was er so treibt. Was für ein Leben er jetzt führt. Ob er wirklich ein besserer Mensch geworden ist.«
Gabrielle riss ungläubig die Augen auf. »Warum hast du mir das verschwiegen? Ich wäre mitgekommen.«
»Genau deshalb hab ich dich nicht eingeweiht. Ich musste das im Alleingang erledigen.«
»Und?«
Sharon sah Gabrielle ins Gesicht. »Er ist verheiratet und hat einen Sohn!«
»Wie bitte? Er hat doch behauptet, dass er sich die Wohnung mit seiner Schwester teilt. Er hat also gelogen?«
Sharon nickte. »Sieht ganz danach aus, ja.«
»Tja, wer hätte das gedacht … ein Verbrecher, der auch noch lügt.« Gabrielle biss sich auf die Innenseite der Wange. Jetzt war ihr klar, weshalb er sie nicht in seine Wohnung lassen wollte. »Wer weiß, was sonst noch alles nicht gestimmt hat. Er wollte offensichtlich verhindern, dass seine Familie erfährt, was er dir angetan hat.«
Sharon schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Ich hab ihn jetzt ein paar Tage beobachtet. Er hat sich verändert. Er ist reifer geworden, und er wirkt ausgeglichener denn je. Ich habe den Eindruck, er ist wirklich ein besserer Mensch geworden.«
Gabrielle ergriff ihre Hand. »Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht ist dieses Musterleben nur seine Tarnung.«
»Daran hab ich auch schon gedacht. Es gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden.«
»Und die wäre?«
Sharon lächelte grimmig. »Ich werde ihn zur Rede stellen. «
Ehe Gabrielle etwas entgegnen konnte, bog ein Abschleppwagen um die Ecke. Sie mussten das Gespräch kurz unterbrechen, aber sobald das Auto versorgt war, würde sie alles daransetzen, Sharon diese wahnwitzige Idee wieder auszureden.
Kapitel 12
Gabrielle hatte Sharon versprochen, sie zurück nach Stewart zu bringen. Allerdings musste sie unterwegs noch einen Zwischenstopp zu Hause einlegen – offiziell, weil sie für das bevorstehende Interview mit Mary Perkins noch einige Notizen benötigte. Dass jemand im Rhodes Inn eingebrochen und sie deshalb früher als geplant nach Boston zurückgekehrt war, verschwieg sie ihrer Freundin vorerst. Sharon hatte schon genügend andere Sorgen.
Aus demselben Grund machte Gabrielle ihr auch keine Vorhaltungen wegen ihrer Spionageaktivitäten. Noch nicht. Dafür blieb auch auf der Fahrt nach Stewart Zeit genug.
»Du wirkst so nachdenklich«, bemerkte sie stattdessen.
Sharon starrte aus dem Fenster und seufzte. »Tja, da ist einerseits die Erpressung, und dann frage ich mich, was die Autoreparatur wohl kosten wird und woher ich auch noch das Geld dafür nehmen soll«, sagte sie und lehnte den Kopf ans Fenster.
Sie tat Gabrielle leid. »Ich kann dir natürlich jederz…«
Doch Sharon schnitt ihr mit einer abwehrenden Handbewegung das Wort ab. »Ich weiß, aber ich schaffe das schon. Noch habe ich nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Ich muss mir bloß gelegentlich den Kummer von der Seele reden und mir alles durch den Kopf gehen lassen«, murmelte sie
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