Trau dich endlich!: Roman (German Edition)
hinunter.
Abgesperrt.
Interessant. Mary Perkins hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Eingangstür abzuschließen, aber den Zugang zu ihrem Allerheiligsten hätte sie wohl am liebsten zumauern lassen, dachte Gabrielle spöttisch.
Unentschlossen stand sie vor der Tür. Sollte sie gleich zu Derek weiterfahren? Nein. Es hatte ganz den Anschein, als würde bald jemand kommen.
Sie ließ sich auf dem alten Velours-Sofa in der Empfangshalle nieder, überkreuzte die Beine und atmete tief durch. Die schwüle Hitze draußen drang auch bis ins Haus vor und trieb ihr den Schweiß auf die Stirn. Sie ergriff einen Fächer, den jemand auf dem Beistelltischchen hatte liegen lassen, und fächelte sich damit frische Luft zu, obwohl sie bezweifelte, dass es viel nützen würde, sich heiße Luft ins Gesicht zu wedeln. Aber schaden konnte es auch nicht.
Es musste etwa eine Stunde vergangen sein, als sie schließlich die Scharniere des Fliegengitters quietschen hörte. Gabrielle erhob sich und fächelte im Stehen weiter, weil es ihr tatsächlich Kühlung verschaffte.
»Grandma?«, rief jemand.
Gabrielle kam sich vor wie ein Eindringling. »Außer mir ist niemand hier.«
Eine hübsche Brünette trat in die Vorhalle. »Und wer sind Sie?«
Gabrielle hob halbherzig die freie Hand zum Gruß. »Gabrielle Donovan. Ich wollte Bürgermeisterin Perkins sprechen. Auf dem Zettel an der Tür stand, dass gleich jemand kommen würde, also habe ich beschlossen, zu warten, obwohl niemand da war.«
»Ich bin Lauren Perkins«, stellte sich die junge Frau vor und streckte die Hand aus.
Gabrielle schüttelte sie. »Mary Perkins ist also Ihre Großmutter? «
Sie nickte.
Gabrielle dachte an den Klon der Bürgermeisterin. »Sie hat aber auch noch eine zweite Enkelin, richtig? Ihre Assistentin? «
Lauren lächelte. »Ja, meine Schwester.«
Gabrielle musterte sie erstaunt. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass Lauren und Elizabeth miteinander verwandt sein könnten.
»Ich weiß, ich weiß, wir sehen uns überhaupt nicht ähnlich«, sagte Lauren lachend.
Gabrielle grinste. »Sie haben meine Gedanken gelesen.«
»Nein, das höre ich ständig. Tja, wie Ihnen bestimmt nicht entgangen ist, werde ich erwartet. Die alte Smith Corona meiner Großmutter hat ein unverwechselbares Schriftbild.«
»Kaum zu glauben, dass heutzutage noch jemand eine Schreibmaschine benutzt«, stellte Gabrielle fest.
Lauren lachte erneut. »Ja, die meisten wissen gar nicht mehr, was das überhaupt ist.«
»Ich bin Schriftstellerin. Ich beschäftige mich gern mit der Vergangenheit und liebe antiquierte Gegenstände.«
Lauren musterte sie nachdenklich, dann schnippte sie mit den Fingern. »Ach, Sie sind die Gabrielle Donovan – die Autorin! Ich bin ein großer Fan von Ihnen.«
»Oh, vielen Dank.« Gabrielle war in Gedanken noch immer bei der Schreibmaschine. »Ihre Großmutter ist also noch nicht im Computerzeitalter angekommen?«
Lauren schüttelte den Kopf. »Leider, nein. Das würde ihr die Arbeit beträchtlich erleichtern. Ihre Arthritis bereitet ihr nämlich Schwierigkeiten beim Schreiben. Die Bedienung der Schreibmaschine fällt ihr zwar auch nicht gerade leicht, aber ihre Handschrift ist absolut unleserlich. Ich hoffe, meine Schwester wird sie bald zu uns ins Computerzeitalter holen. Aber Großmutter ist ziemlich … unflexibel, könnte man sagen. Zuweilen ist es wirklich schwierig, es ihr recht zu machen«, bekannte Lauren.
»Was höre ich da? Wie redest du denn über deine Großmutter? «
Gabrielle und Lauren fuhren herum, als sie Mary Perkins’ Stimme vernahmen.
»Grandma!«, rief Lauren. Sie schien sich über das Erscheinen der alten Dame zu freuen und wirkte nicht im Geringsten verlegen wegen ihrer Äußerung.
Mary schien ihre Worte auch nicht weiter ernst gemeint zu haben, denn sie streckte die Arme aus und drückte ihre Enkelin an sich; eine unerwartet herzliche Geste, die im Widerspruch zu ihrem ansonsten eher reservierten Wesen stand.
»Was macht deine Arthritis?«, erkundigte sich Lauren.
»Nichts kann deine Großmutter aufhalten, das weißt du doch«, erwiderte Mary.
»Wo ist denn meine Schwester?«
»In der Stadt, um einiges für mich zu erledigen. Sie hat dir zwar einen Zettel an die Tür gehängt, aber ich soll dir trotzdem ausrichten, dass sie gleich kommt.« Mary trat einen Schritt zurück, dann sagte sie, zu
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