Trau dich endlich!: Roman (German Edition)
anderes denken können.
»Ein Name.« Sie holte den Zettel aus der Tasche. »Sagt dir der Name Harry Winters etwas?«
Derek musterte sie mit schmalen Augen. »Harry Winters? Das ist Onkel Edwards einziger Nachbar. Wenn es in dieser Stadt jemanden gibt, der die Einsamkeit genauso liebt wie Onkel Ed, dann dieser Harry Winters.«
Gabrielle sank in ihren Sitz zurück. »Hast du eine Ahnung, weshalb Mary Perkins’ ehemalige Assistentin der Ansicht ist, der Name könnte mir nützlich sein?«
»Oh, ja, allerdings. Ich erkläre es dir unterwegs.« Er fuhr los.
»Wo fahren wir denn hin?«
»Wir statten Mr. Winters einen Besuch ab. Ich glaube, jetzt haben wir das fehlende Bindeglied. Bald werden wir wissen, wer dich aus der Stadt vertreiben will und weshalb. «
Zehn Minuten später bog Derek in die lange Straße ein, in der sein Onkel wohnte. Seit seiner Rückkehr nach Stewart hatte er Edward nur ein einziges Mal besucht, und dafür hatte er seine Gründe.
Gabrielle spähte aus dem Beifahrerfenster auf die Bäume, die die Straße säumten. »Hängen da etwa Jujus?«, rief sie ungläubig.
Derek nickte. »Woher weißt du, was das ist?« Er selbst hatte bei besagtem letzten Besuch zum ersten Mal in seinem Leben von den seltsam aussehenden Gegenständen gehört, die hier überall von den Ästen baumelten.
Onkel Edward hatte ihm damals erzählt, um sich vor dem Fluch und anderem Übel zu schützen, greife er neuerdings auf Voodoo-Praktiken aus New Orleans zurück, unter anderem auf Jujus, die aus Baumrinde oder anderen ehemals »belebten« Materialien angefertigt wurden und als Talismane dienten.
»Du hast wohl noch kein einziges meiner Bücher gelesen«, sagte Gabrielle vorwurfsvoll, lachte aber.
Derek lief rot an. »Erwischt. Ich war immer neugierig, aber mir bleibt leider nicht genügend Zeit zum Lesen.«
Sie schüttelte sanft den Kopf. »Schon okay, ich ziehe dich bloß auf. Aber wenn man sich wie ich häufig mit übernatürlichen Phänomenen und exotischen Bräuchen und Ritualen befasst, stolpert man zwangsläufig irgendwann über Jujus.«
Als sie sich dem Ende der Straße näherten und zwei einsame Häuser in Sicht kamen, beugte sich Gabrielle auf ihrem Sitz nach vorn.
»Sehe ich da einen Totempfahl ?«
Derek nickte stöhnend. »Und das ist nicht der Einzige, wie du gleich sehen wirst, wenn wir näher dran sind. Seit Onkel Edward zu Ohren gekommen ist, dass sie Schutz vor bösen Geistern bieten, schießen die Dinger hier wie Pilze aus dem Boden«, scherzte er.
»Sag bloß, du findest das übertrieben«, erwiderte sie sarkastisch.
Derek stellte den Motor ab. »Ich kann unmöglich direkt vor seiner Nase parken, ohne kurz hineinzugehen und Hallo zu sagen. Du kannst aber gern so lange hier warten. Ich bin gleich wieder da.« Er öffnete die Fahrertür.
»Nein, warte!« Gabrielles Augen blitzten zu seiner Überraschung unternehmungslustig auf. »Ich würde gern mitkommen und deinen Onkel kennenlernen.«
»Du willst dich wohl höchstpersönlich davon überzeugen, dass er nicht mehr alle Tassen im Schrank hat, wie?« Derek hatte gehofft, eine Begegnung zwischen Gabrielle und seinem streitlustigen dritten Onkel verhindern zu können. »Er mag ein Einzelgänger sein, aber so isoliert lebt er nun auch wieder nicht, dass der Dorftratsch nicht bis zu ihm vordringt. Ich bin sicher, er weiß, worüber du schreibst, und er ist bestimmt wenig begeistert darüber, dass du in alten Wunden rührst. Du wirst gleich sehen, wie weit ihn die Angst vor dem Fluch treibt.«
Gabrielle löste den Sicherheitsgurt. »Bitte, bitte, nimm mich mit«, flehte sie und faltete theatralisch die Hände. »Es stört mich nicht im Geringsten, wenn er ein bisschen schroff zu mir ist. Ich kann seine Einstellung durchaus nachvollziehen. Aber selbst dein Vater hat mich schließlich so weit akzeptiert, dass er bereit war, Holly bei sich aufzunehmen, damit ich bei dir wohnen kann, bis das Schlimmste vorüber ist. Und wir haben uns auch gut vertragen, als wir vorhin Fred gebadet haben. Ich verspreche, nett zu deinem Onkel zu sein.«
»Du kennst Onkel Edward nicht«, warnte er sie.
Gabrielle verdrehte die Augen. »Ich werde schon mit ihm fertig.« Sie hatte bereits die Tür geöffnet und war aus dem Wagen geklettert.
Derek schüttelte den Kopf und folgte ihr.
Sie gingen zur Tür, und er betätigte die Klingel.
»Roter Staub«, murmelte Gabrielle
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