Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
Atemzug stehe ich auf, greife erneut die Schaufel. Es reicht! Ich werde jetzt diese verflixte Leiche verscharren und dann mit meinem Leben weitermachen.
Irgendwann ist das Loch tief genug. Mit einem erleichterten Seufzer lasse ich die Schaufel auf den Boden fallen und schleife den Toten die wenigen Meter von seinem Platz unter den Bäumen bis zur Grube herüber.
Und dann stehe ich unschlüssig da und starre auf die Plastikplane. Jetzt ist es soweit, ich muss das tun, wovor ich mich die ganze Zeit gedrückt habe. Ich muss ihn begraben, aber zuvor gibt es noch eine weitere Aufgabe zu bewältigen: Ich muss ihn durchsuchen. Vielleicht finde ich einen Hinweis auf seine Identität.
Zum hundertsten Mal an diesem Tag wünsche ich, weit weg zu sein.
Dann aber gehe ich daran, ihn von der Plane zu befreien, bis sein Körper vor mir liegt. Zaghaft klopfe ich seine Taschen ab. Nichts. Sie scheinen leer zu sein. Jetzt könnte ich ihn wieder einwickeln und …
Nein. Ich muss Gewissheit haben.
Mit zusammengebissenen Zähnen lange ich in eine Jackentasche hinein, dann in die andere. Auch die Hosentaschen durchsuche ich. Aber ich finde nichts. Also dann werde ich ihn jetzt beerdigen … Und damit endgültig etwas tun, was nicht richtig ist.
Dieser Gedanke lässt mich innehalten. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich meinen Plan in die Tat umsetzen soll. Ob es nicht eine andere Lösung gibt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass selbst der beste Anwalt mich aus dieser verfahrenen Situation herauspauken könnte. Zu viele Beweise sprechen gegen mich.
Ein eisiger Luftstoß fegt durch den Garten und lässt mich erschauern. Mir ist kalt. Meine Klamotten sind durchweicht und kleben an meinem Körper. Es regnet noch immer. Fast scheint es, als ob das Wetter um den Verstorbenen trauere. Was vielleicht ganz gut ist, wenn man bedenkt, dass der Tote sonst niemanden hat, der diesem Begräbnis beiwohnt. Von mir natürlich abgesehen, allerdings bewegen mich eindeutig andere Gründe als einen trauernden Hinterbliebenen.
In Gedanken entschuldige ich mich bei dem Mann dafür, dass ich ihn gleich unzeremoniell in ein provisorisches Grab stoßen werde. Ich mache es wieder gut. Ganz bestimmt . Ich habe nur keine Ahnung, wann und wie ich das anstellen soll.
Mit einem dumpfen Aufprall landet die Plane mit dem schweren Körper in der Grube. Ich häufe die Erde darüber, rolle die Grasmatten aus und glätte die Erde drum herum. Und dann lasse ich alles stehen und liegen und gehe ins Haus zurück.
8
Als ich geweckt werde, kommt es mir vor, als hätte ich mich gerade erst hingelegt. Das Telefon. Verdammt! Ich hätte es abstellen sollen.
Müde reibe ich mir die Augen. Versuche, das Klingeln zu ignorieren. Dann ... endlich hört es auf. Gut. Weiterschlafen.
Sekunden später vibriert das Handy, das auf dem Nachttisch liegt. Mist!
Meine Mutter. Natürlich. Wer sonst würde es wagen, mich so früh anzurufen? Ein Blick auf den Wecker verrät mir, dass es halb acht ist.
„Es geht mir nicht gut. Ich rufe dich morgen an“, murmele ich in den Hörer und beende das Gespräch, bevor sie protestieren kann.
Als ich das nächste Mal aufwache, ist es drei Uhr nachmittags. Trotzdem fühle ich mich wie gerädert, jede Faser meines Körpers steht in Flammen. Außerdem fühle ich mich schmutzig. Letzte Nacht war ich zu müde, um zu duschen.
Mit leisem Stöhnen mache ich mich daran, wieder zu einem normalen Menschen zu werden. Wasche nicht nur den Schmutz ab, sondern auch das ungute Gefühl, das mich überkommt, wenn ich an den dumpfen Aufprall denke, mit dem die Leiche in der Grube landete.
Nein! Lieber an Vorhänge denken. Weiße Vorhänge oder blaue. Meinetwegen auch grüne. Dazu eine schwarze Couchgarnitur. Vielleicht kann ich heute auf die Suche gehen. Oder morgen. Nächste Woche reicht eigentlich auch noch.
Auf dem Weg vom Badezimmer zur Treppe beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Die erste Treppenstufe erscheint mir wie das Tor zur Unterwelt. Was, wenn sich wieder ein Fremder ohne mein Wissen in unser Haus geschlichen hat? Unsinn! Natürlich wird alles so sein, wie sonst auch. Trotzdem wollen mir die Beine nicht gehorchen. Was vollkommen idiotisch ist, denn mein Leben kann wirklich nicht mehr schlimmer werden, als es jetzt ist.
Mit aller Willenskraft setze ich den rechten Fuß auf die Stufe, ziehe den linken Fuß nach und mache einen Schritt nach unten. Dann wieder den rechten Fuß … und immer so weiter, bis ich im
Weitere Kostenlose Bücher