Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
obwohl mein Brustkasten wie eingeschnürt ist. Es ist ein Gefühl, als würde ich ein Stahlkorsett tragen. Wieder versuche ich, Luft zu holen. Besser. Langsam geht es besser. Mittlerweile habe ich ja auch Übung darin.
Der Mann hatte sicherlich recht. Bestimmt war es irgendein Halbstarker, der Formel-1-Pilot spielen wollte und mich nicht gesehen hat.
Wenn ich die Augen schließe, kann ich das Gesicht des Fahrers vor mir sehen. Dunkle Haare, Sonnenbrille, mindestens 35 Jahre alt. Nicht gerade jung. Trotzdem, niemand will mich umbringen. Ganz bestimmt nicht.
Ein leichter Sprühregen hat einen nebligen Schleier über den Garten gelegt. Von den Ästen der Trauerweide tropft es auf mich herab, als ich einige Stunden später den Boden mustere und wünschte, ich könnte stattdessen mit einem dicken Schmöker im Bett liegen. Aber daraus wird nichts. Schließlich muss ich einen Toten vergraben.
Ohne große Begeisterung fange ich mit der Arbeit an. Die Erde ist nass und schwer, Regenwürmer winden sich auf den Brocken, die ich mit der Schaufel aushebe. Es dauert keine zehn Minuten und ich bin erschöpft, mein Rücken ein Flammenmeer. Dabei habe ich gerade erst angefangen. Das markierte Rechteck ist nur um wenige Zentimeter tiefer geworden.
Am liebsten würde ich die Schaufel hinwerfen und mich heulend ins Bett verkriechen. Das ist der schlimmste Tag meines Lebens, und er ist noch lange nicht zu Ende. Ich muss mich zusammenreißen. Für Selbstmitleid bleibt später noch genug Zeit, ermahne ich mich. Ich werde solange weiterarbeiten, bis das Loch fertig ist. Ich werde an nichts denken, mich durch nichts ablenken lassen. Durch gar nichts! Ich werde so lange graben, wie es nur geht, und diese gruselige Arbeit hinter mich bringen.
Irgendwann kann ich nicht mehr, da hilft alles Zureden nichts. Ich bin vollkommen erschöpft. Jede Schaufel Erde, die ich aushebe, scheint Tonnen zu wiegen, und ich schaffe es kaum noch, die Erdbrocken auf die Seite zu kippen. Mit einem lauten Stöhnen werfe ich den Spaten hin, wanke zu dem dicken Stamm der Trauerweide und lasse mich daran zu Boden gleiten.
Ich brauche eine Pause. Nur ein paar Minuten, dann kann ich weitermachen …
Etwas Nasses tropft auf meinen Kopf. Immer wieder. Mühsam öffne ich die Augen, brauche einen Augenblick, um mich zurechtzufinden. Erstaunt registriere ich, dass ich es geschafft habe, einzuschlafen. Da nehme ich wochenlang Schlaftabletten, und dann fallen mir die Augen zu, obwohl es regnet, kalt ist und mein ganzer Körper ein einziger Schmerz zu sein scheint.
Mein Blick fällt auf die kümmerliche Grube, die ich ausgehoben habe. Wie soll ich nur den Rest schaffen, so wie ich mich fühle?Seufzend rappele ich mich hoch. Es hilft nichts. Wenn ich nicht im Gefängnis landen will, muss ich jetzt weitermachen.
Zum Glück hat der Regen nachgelassen, und der Vollmond wirft ein helles, milchiges Licht auf den Garten, das mir zu sehen erlaubt, was ich tue. Groß und schwer hängt der Mond am Himmel und leistet mir Gesellschaft. Doch dann wird es plötzlich dunkel, Wolkenfetzen verdecken die weiße Scheibe, die eben noch mein Freund war, und ein heftiger Wind kommt auf. Blätter rauschen. Ein Zweig knackt. Hinter mir wispert es.
Was war das? Der Schreck umklammert mein Herz wie eine eiserne Faust. Ich halte inne. Lausche. Ist da jemand? Angestrengt versuche ich, in der matten Dämmerung etwas zu erkennen.
Wieder knackt ein Ast. Es raschelt. Mit einem Mal geht mein Atem nur noch stoßweise, ein unwillkommener Gedanke rumort in meinem Kopf: Ich bin ganz allein mit einer Leiche.
Würde mich nicht wundern, wenn der Geist des Ermordeten umgeht und wütend ist, weil ich seinen Körper einfach verscharren will, anstatt für Gerechtigkeit zu sorgen. Ein kalter Schauer rieselt meinen Rücken hinab. Etwas Glitschiges streift meinen Arm, und ich mache einen Satz nach hinten, komme an den Rand der Grube und muss um meine Balance kämpfen. Und dann höre ich einen erstickten Schrei.
Sekunden später hocke ich neben dem Grab auf dem Boden und versuche, mich wieder zu beruhigen. Ich brauchte eine Weile, um zu merken, dass ich es war, die geschrien hat. Nichts ist passiert. Es ist nichts geschehen. Gar nichts . Wenn ich mir das lange genug einrede, glaube ich es vielleicht sogar.
Langsam, sehr langsam, fühle ich mich besser. Es war nur der Wind. Das ist alles. Ein Blatt des Strauches, neben dem ich eben noch gestanden habe, hat mich am Arm gestreift.
Mit einem tiefen
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