Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
Streicheln auf meinen Lippen, gefolgt von dem Geschmack nach Meer.
Salz.
Sein Finger wanderte weiter, strich über mein Kinn den Hals hinab, bis zu meinem Ausschnitt. Er fuhr an dem dünnen Stoff entlang, ohne meine Haut zu berühren.
Ein prickelnder Duft reizte meine Sinne. Ich öffnete die Augen, sah Ron, der eine Zitrone in seinen Händen hielt.
Ganz zart trennten seine Zähne ein Stück davon ab. Er lächelte, als er sich zu mir beugte und das Salz von meinen Lippen leckte. Und dann küsste er mich.
Sehnsucht breitet sich in mir aus. Ich wünschte, er wäre hier und könnte mir helfen, mit diesem Chaos, in das sich mein Leben verwandelt hat, fertig zu werden. Aber er ist noch bis Mittwoch weg. Und ich will ihm nicht am Telefon erzählen, was passiert ist. Man hört so oft davon, dass Handygespräche abgehört werden, und außerdem, was soll ich sagen? Mein Tag war ganz nett bis auf die Leiche, die ich gefunden habe?
Ein leiser Glockenton reißt mich aus diesen Überlegungen. Eine SMS. Ron . Als hätte er meine Gedanken gelesen und gewusst, dass ich ihn jetzt brauche.
Ein Meeting jagt das nächste. Wie geht es dir?
Wie es mir geht? Schlecht!
Aber das kann ich ihm natürlich nicht simsen, sonst will er wissen, was los ist. Und obwohl ich mir nichts sehnlicher wünsche, als mit ihm über alles zu sprechen, antworte ich mit einem Blendend. Bin im Albatros beim Frühstück , sende die SMS ab und starre vor mich hin, ohne etwas von dem Regen und den grauen Wolkenmassen draußen wahrzunehmen. Schon morgen kann mein Leben weitergehen wie bisher. Oder nicht?
Wer war der Tote? Warum war er in unserem Haus? Und vor allem, wie ist er hineingelangt?
Ich wünschte, ich könnte aufhören zu denken. Einfach mein Gehirn abschalten und für ein paar Stunden Ruhe haben. Aber das geht nicht. Die Fragen fahren Karussell in meinem Kopf, bringen mich fast um den Verstand. Bis eine Überlegung alles zu einem abrupten Stillstand kommen lässt: Mir geht mit einem Mal auf, wie ich zumindest eine der wichtigsten Antworten schon längst selbst hätte finden können. Ich Idiotin, ich hätte nur in den Taschen des Toten nachschauen müssen . Vielleicht hatte er eine Brieftasche dabei. Möglicherweise wüsste ich dann schon, wer er war. Bei dem Gedanken daran, in der Kleidung einer Leiche herumzuwühlen, breitet sich ein mulmiges Gefühl in meinem Magen aus. Hastig stehe ich auf und bezahle meine Rechnung an der Theke, anstatt auf die Bedienung zu warten. Hier drin wird es mir zu eng. Ich muss raus, weg von hier.
Es regnet, als ich aus dem Café komme und mich auf den Weg ins Parkhaus mache. Hier unten ist es düster und unheimlich. Zumindest, wenn man einen Tag wie ich hinter sich hat. Mit gesenktem Kopf schlängele ich mich zwischen den Autos durch, trete auf den schmalen Weg, der eine Parkreihe von der anderen trennt, als ein gellendes Quietschen ertönt. Irgendein Idiot denkt wohl, hier sei der richtige Platz für ein Autorennen.
Die Geräusche kommen näher. Schnell überquere ich die schmale Gasse, um zu meinem Wagen zu gelangen. Möglichst bevor der Möchtegern-Rennfahrer mich mit seinen Abgasen umbringt. Das Motorengeräusch wird lauter. Beunruhigt schaue ich mich um. Starre direkt in die Scheinwerfer eines schwarzen BMWs, der, ohne seine Geschwindigkeit zu verringern, auf mich zurast.
Jetzt weiß ich, warum sich Rehe nie bewegen, wenn sie im Scheinwerferlicht gefangen sind.
7
Mit einem heftigen Ruck werde ich zur Seite gerissen. Der BMW rast so dicht an mir vorbei, dass er mich fast gestreift hätte.
„Saukerl, dreckerter!“
Zitternd drehe ich mich um. Ein gut aussehender, älterer Herr lächelt mich an. „Da haben Sie noch einmal Glück gehabt, Fräulein. Diese jungen Leut heutzutage.“ Er schüttelt den Kopf. „Kaum haben sie den Führerschein, schon denken sie, sie wären Michael Schumacher.“
„Danke, vielen Dank“, stammele ich, noch immer unter Schock. Zum Glück redet er hochdeutsch mit mir. Sonst hätte ich wahrscheinlich kein Wort verstanden. Dieser ironische Gedanke lässt ein hysterisches Lachen in meiner Kehle aufsteigen. Hastig dränge ich es zurück. Wenn ich jetzt zu lachen anfange, werde ich nicht mehr aufhören. Wird mich die Hysterie ganz packen.
„Keine Ursache.“ Mit diesen Worten tippt er sich an den Hut, er trägt tatsächlich einen Gamsbart mitten in Frankfurt, und geht davon.
Ich stehe noch immer neben den Autos und versuche, tief durchzuatmen,
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