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Trauerweiden

Trauerweiden

Titel: Trauerweiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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entspannt in Lisas Geburtstag hinein.

Samstag, 28. September
    Die vier Menschen, die um den schön gedeckten Frühstückstisch versammelt waren, falteten andächtig die Hände. Elke Schuster wollte, dass man vor dem Essen betete, und auch ihr Mann billigte das.
    Annabella sagte mit heller Stimme und geröteten Wangen: »Komm, lieber Herr Jesu, sei unser Gast, und segne, was du uns bescheret hast. Amen.«
    Ihre Schwester und ihr Vater murmelten ebenfalls ein Amen.
    Nur Elke Schuster setzte hinzu: »Und sei der lieben Jessica im Himmel gnädig.«
    Wieder ein gemurmeltes Amen.
    »Guten Appetit«, wünschte die Mutter.
    »Gibst du mir ein Brot, Mama?«, fragte die jüngere Annabella.
    »Wie heißt das?«
    »Bitte.«
    »Richtig. Bitteschön.«
    Elke Schuster reichte ihrer Tochter eine Brotscheibe.
    »Heidemarie?«
    Ihre ältere Tochter wirkte heute seltsam verschlossen.
    »Ist alles in Ordnung, Heidi?«, fragte Mario Schuster.
    Das Kind senkte den Blick und schüttelte ganz leicht den Kopf.
    »Aber was ist denn, meine Kleine?«, erkundigte sich Elke mit besorgtem Unterton.
    »Ist es wegen Jessica?«, fragte der Papa nun vorsichtig.
    Heidemarie nickte und presste eine Träne zwischen den Lidern hervor.
    Elke streichelte ihr tröstend über die Wange. »Meine arme Kleine. Aber du brauchst doch nicht traurig zu sein. Die Jessi ist doch jetzt im Himmel, beim lieben Gott.«
    Eine weitere Träne rann über Heidemaries Gesicht. »Ich fand die Tante Jessi aber lieb. Und hübsch war sie auch«, brachte sie mühsam heraus.
    Elke Schuster versuchte ein Lächeln. »Ich vermisse sie doch auch, Kind, wir alle mochten sie. Aber glaub mir, sie ist jetzt an einem besseren Ort.«
    »Wie ist es denn im Himmel?«, erkundigte sich nun Annabella, die bereits begeistert an einem Wurstbrot kaute.
    »Och.« Elke Schuster breitete euphorisch die Arme aus. »Da ist es ganz toll! Das ist das Paradies.«
    »Und was ist im Paradies?«, beharrte Annabella.
    »Löwen und Lämmer, viele niedliche Tiere und ganz viele Regenbögen.«
    »Und Blumen?«
    »Ja, ja, Blumen auch. Und Wasserfälle, und das Wetter ist immer schön. Niemand streitet sich, und alle sind freundlich zueinander.«
    »Und gibt es im Himmel auch Pferde?«
    »Klar, jede Menge Pferde. Schwarze und weiße und braune … «
    »Dann will ich da auch mal hin«, beschloss Annabella und biss wieder in ihr Brot.
     
    Lisa schloss die Tür auf. Sie streichelte Garfield gedankenlos und kontrollierte dann nervös ein weiteres Mal das Bad, ob es auch sauber war. Schließlich griff sie zum Glasreiniger und putzte nochmals den Spiegel. Der rotgetigerte Kater hatte sich im Gang aufgebaut und stimmte nun ein ohrenbetäubendes Maunzen an, weil er erstens nicht ausreichend beachtet wurde und zweitens noch nichts zu Fressen bekommen hatte. Lisa schnalzte mit der Zunge. »Oh, Katze«, schimpfte sie und ging, um seinen Futternapf mit den seltsam riechenden Fleischstückchen zu befüllen, die er aus unerfindlichen Gründen so liebte. Schnell kehrte sie dann zurück und kontrollierte nochmals den Rand der Badewanne, aber der war sauber. Das Waschbecken und die Spüle in der Küche, sauber. Ihr Bett war gemacht, schnell zog sie noch eine Falte im Bettbezug glatt. Garfield hatte seinen Imbiss beendet und sah seinem Frauchen nun interessiert und gleichzeitig etwas irritiert bei ihren ungewöhnlichen Tätigkeiten zu. Lisa rauschte ins Wohnzimmer, um die Raffung der Vorhänge zu überprüfen und den Blumenstrauß auf dem Tisch zurechtzurücken. Dann setzte sie sich hin und wartete. Garfield hechtete zu ihr aufs Sofa, und sie streichelte sinnend das tigerartig gemusterte Fell, aus dessen Tiefen alsbald ein sonores Brummen ertönte. So lange, bis es klingelte und ihre Eltern kamen.
     
    Heiko zog nervös an der Zigarette. Verdammt. Es war ja nicht so, dass er keine Zeit gehabt hätte. Aber ihm war einfach nichts eingefallen und er wollte Lisa auch nicht irgendwas schenken. Sie verdiente mehr als irgendwas, denn sie war etwas Besonderes. Also bräuchte er auch ein besonderes Geschenk für sie. Aber was, verdammt? Er hatte schon beim Floristen im Lidl einen schönen Blumenstrauß besorgt und von der freundlichen Dame sogar einen Pappbecher mit Wasser erhalten, damit der Blumenstrauß die Zeit im Auto überstehen würde. Die Zeit, in der er das richtige Geschenk kaufen würde. Denn ein Blumenstrauß war Beiwerk. Er war kein Geschenk. Ihm fehlte noch das richtige Geschenk. Und in anderthalb Stunden würden sie sich beim

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