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Trauerweiden

Trauerweiden

Titel: Trauerweiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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Bogdan treffen, und er musste sich noch rasieren. Seit zwei Stunden irrte er nun schon durch die Stadt, auf der Suche nach einem Präsent für seine Lisa. Eine Uhr? Nein. Ein Kuli? Lisa schrieb mit Füller und besaß bereits einen edlen von ihrem Ex. Was zum Anziehen? Er wusste nicht mal ihre Größe. Damit fielen Dessous auch flach. Er konnte Lisa auch schlecht ein Paket mit sündiger Unterwäsche überreichen, wenn ihre Mutter daneben hockte. Unmöglich. Ein Buch? Aber er hatte keine Ahnung, was Lisa so gefiel, und er konnte seiner Freundin auch nicht bloß ein Buch für 10 oder 20 Euro schenken. Er wanderte die Lange Straße entlang und bog endlich ziellos ab. Und dann blieb sein Blick an einem Schaufenster hängen. Seine Miene hellte sich auf, denn er wusste sofort, dass er sein Geschenk gefunden hatte.
     
    Eineinhalb Stunden später wartete die Familie Luft beim ›Bogdan‹ einträchtig versammelt auf Heiko und seine Eltern. »Ich hab gewusst, dass er zu spät kommen würde. Wahrscheinlich füttert er gerade noch die Schweine.« Wütend flog die graue Bobfrisur der alten Frau Luft, als sie wieder mal energisch mit dem Kopf ruckte. Sie trug heute ein lindgrünes Seidenkostüm mit dunkelgrauer Bluse. »Beruhige dich, Mutter, er wird sicher bald da sein. Und er füttert NICHT die Schweine.«
    Frau Luft trank einen Schluck Rotwein. »Sicher ist er nicht mal rasiert. Vielleicht hat er sogar noch die Stallklamotten an.«
    Lisa verdrehte die Augen. »Er ist kein Bauer, Mutter. Er ist Kriminalkommissar.«
    Frau Luft schnalzte mit der Zunge. »Sicher. In Schwaben, im Hinterland bei den Hinterwäldlern.«
    »Das hier ist nicht Schwaben, Mutter, wir sind hier in Hohenlohe.«
    »Bestimmt ist er nett«, versuchte nun Herr Luft zu vermitteln, der die ganze Zeit stumm daneben gesessen hatte. Die Tür ging auf, und Heikos Eltern kamen herein. Suchend huschte der Blick von Heikos Mutter, die eine enorme Orchidee unter dem Arm trug, umher.
    »Lisa, mei Maadle«, rief sie dann aus, stürmte auf ihre Schwiegertochter in spe zu und knuddelte diese heftig. »Alles, alles Gute zum Geburtstag.«
    Verlegen kam der alte Wüst hinterher und drückte Lisa die Hand. »Wie alt bisch jetz?«, fragte er.
    »33«, informierte Lisa. »Das sind meine Eltern, Maria und Roland Luft. Das sind Heikos Eltern, Doris und Werner Wüst«, stellte sie dann vor.
    Allgemeines Lächeln und Händeschütteln. Wieder ging die Tür auf, und herein kam Heiko, im Hemd, rasiert und frisch geduscht. Trotzdem wirkte er reichlich abgekämpft und umklammerte mit links den Blumenstrauß, in seiner rechten Faust hielt er das kleine Päckchen. Etwas schüchtern kam er auf seine Freundin zu, die das honigfarbene teintschmeichelnde, figurumspielende neue Kleid trug. Er umarmte sie und wünschte ihr mit einem Küsschen alles Gute.
    »Da, für dich«, meinte er etwas unbeholfen und reichte ihr den Blumenstrauß und das Päckchen.
    Sofort erhob sich seine Mutter. »Ich hole eine Vase«, informierte sie.
    Lisa nahm lächelnd und gleichzeitig mit fragendem Gesichtsausdruck das kleine Geschenk, das eindeutig vom Juwelier war, in die Hand. Während Frau Luft Todesängste ausstand, das Päckchen könnte einen Verlobungsring enthalten, nestelte Lisa am Seidenband. Es glitt geschmeidig von der kleinen Schachtel. Behutsam legte sie es zur Seite und öffnete das Döschen. Und dann lachte sie los.
    »Du weißt halt, was ich mag, nicht wahr?«, sagte sie und bedankte sich mit einem Küsschen.
    »Was ist es denn?«, fragte ihre Mutter neugierig.
    Lisa zog das Kettchen heraus und hielt es hoch.
    »Ein Horaff«, erkärte sie.
    »Ein – was?«
    »Ein Horaff.«
    »Schaut aus wie ein Frauenhintern«, ließ sich nun erstmals seit Langem der alte Herr Luft vernehmen.
    »Aber Roland«, tadelte ihn seine Frau und versuchte ein Lächeln.
    »Doch, doch, das ist es ja auch«, schaltete sich Heikos Vater ein. »Im 14. Jahrhundert wurde Crailsheim von drei Feinden – Schwäbisch Hall, Rothenburg und Dinkelsbühl – belagert. Und als sie es fast geschafft hatten, uns auszuhungern, backten die Crailsheimer aus dem letzten Mehl Horaffen, und die dicke Bürgermeisterin hängte dazu ihren Allerwertesten über die Stadtmauer, was die Belagerer dazu veranlasste, entmutigt abzuziehen. Und Crailsheim war gerettet. Und seither ist der Horaff das Symbol für Crailsheim.«
    Frau Luft nippte dezent am Rotweinglas und legte die Stirn in Falten. Die Sorge, dass der Bauer ihrer Tochter einen Verlobungsring

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