Traum ohne Wiederkehr
beschäftigte sich weiter vorsichtig mit seinen Justierungen an der Box.
So kämpften sie ihren lautlosen Kampf um die Kontrolle über die Träumerin. Tamisan mußte sich allmählich eingestehen, daß die Kraft dieser Box stärker als ihre war. Doch je länger Kas die bemitleidenswerte Egoträumerin unter seiner Kontrolle behielt, desto schwächer würde sie werden, und schließlich mochte es gar zu ihrem Tod führen. Aber vermutlich war ihm das völlig egal.
Wenn sie die Träumerin nicht wecken und die Verbindung lösen konnte, von der sie überzeugt war, daß sie Starrex und sie in dieser anderen Welt hielt, mußte sie eben über Kas etwas erreichen. Er hatte ja bereits einmal auf ihre Berührung reagiert.
Tamisan verließ die Träumerin und trat hinter Kas. Er richtete sich auf. Erleichterung zeichnete sich auf seinen Zügen ab, denn offenbar zeigte seine Box an, daß die Störungen vorüber waren.
Tamisan hob die Hände zu seinen Schläfen und spreizte die Finger weit, daß sie in etwa die Ausmaße einer Traumkrone ergaben. Dann schloß sie sie über seinem Kopf und preßte die Handflächen fest an Kas’ Schläfen, auch wenn sie keinen wirklichen Druck ausüben konnte.
Kas stieß einen würgenden Schrei aus und schüttelte heftig seinen Kopf, als wolle er sich von einem Spinngewebe befreien. Aber Tamisan ließ ihn nicht los, obgleich es ihre Kräfte erschöpfte. Sie hatte einmal im Stock gesehen, wie es gemacht wurde, allerdings an einem ruhigen Objekt, und natürlich hatten sich beide, sowohl die Träumerin, als auch die, die die Kontrolle übernehmen wollte, auf der gleichen Wirklichkeitsebene befunden. Nun konnte sie nur hoffen, daß es ihr gelang, Kas’ Gedankengang lange genug abzulenken, daß er, wenn auch unwillentlich, die Träumerin selbst entließ. Also konzentrierte sie sich mit aller Willenskraft darauf. Er schüttelte jetzt nicht nur den Kopf, was es ohnehin schon genug erschwerte, ihre Hände in der richtigen Position halten zu können, sondern er schwankte nun auch noch mit dem ganzen Körper vor und zurück und versuchte verzweifelt, ihre Finger zu lösen. Aber offenbar konnte er sie genausowenig berühren, wie sie einen festen Druck auf ihn auszuüben vermochte.
Ihre ungeheure Energie, die es ihr ermöglicht hatte, fremde Welten zu erschaffen und sie auf einen Mitträumer zu übertragen, setzte sie nun ein, um Kas zu beeinflussen. Doch obgleich seine Bewegungen jetzt schwächer wurden, seine Hände nur noch schwerfällig versuchten, ihre ungreifbaren zu lösen, seine Augen sich schlossen und ein Ausdruck des Grauens und der Enttäuschung eines bestraften Kindes sein Gesicht überzog, machte er keine Anstalten, die Einstellung der Box zu verändern.
Statt dessen sackte er, für Tamisan völlig unerwartet, plötzlich nach vorn und fiel halb über die Liege. Bei seinem Sturz schlug er haltsuchend um sich, dabei stieß er die Box von der Liege, und ihr Gewicht riß die Krone vom Kopf der Träumerin.
Das Mädchen atmete nun schneller, und ihr eingefallenes Gesicht nahm ein wenig Farbe an. Tamisan, die noch völlig verwirrt über die erstaunlichen Folgen ihres Versuchs, Kas zu beeinflussen, war, fragte sich, ob sie nicht alles noch verschlimmert hatte. Sie hatte keine Ahnung, wieviel die Box mit ihrer Gefangenschaft in der Alternativwelt zu tun hatte, und ob sie überhaupt je zurückkehren konnten, wenn sie außer Funktion war.
Es gab eine Vorsichtsmaßnahme, aber konnte sie sich ihrer bedienen? Ich muß in den Kerker im Hochschloß zurückkehren, wenn Starrex-Hawarel nicht für immer in der anderen Welt festsitzen soll. Doch das bedeutet, daß ich Kas alleinlassen muß, und er uns dann wieder mit seiner Maschine manipulieren kann. Was kann ich tun?
Tamisan betrachtete die sich rührende Träumerin. Das Mädchen kämpfte sich aus einem so tiefen Traumstadium, daß sie sich nicht bewußt war, was um sie vorging. Tamisan hatte eine Idee. Ob sie funktionierte, kam auf einen Versuch an.
Sie ließ Kas liegen und kehrte zu der Träumerin zurück. Wieder drückte sie die hier unstofflichen Finger an die Schläfen des Mädchens und versuchte die Träumerin zu beeinflussen.
Das Mädchen setzte sich mit so schwerfälligen Bewegungen auf, als hingen Bleigewichte an jedem Muskel. Mit schmerzhafter Langsamkeit hob sie die Hände zum Kopf und tastete nach der Krone, die sich nicht mehr dort befand. Dann blieb sie mit immer noch geschlossenen Augen reglos sitzen, während Tamisan ihre Kräfte sammelte,
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