Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Titel: Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
Vom Netzwerk:
der Selbstverletzung ein Zeichen setzen ... Kinder und Frauen, die noch in Misshandlungszusammenhängen leben, verwenden häufig Selbstverletzung in dieser Signalfunktion. Tatsächlich reagiert die Umwelt aber leider oft mit Irritation, Ärger und Unverständnis auf diese Art von Zeichen.
    Bei stark gespaltenen dissoziativen Klientinnen bedeutet die Selbstverletzung oft auch: „Sieh mal, bei ,uns‘ innen ist ein Täterintrojekt tätig und hat ein inneres sado-masochistisches Folterritual (re-)inszeniert!“
    Manchmal geht es auch um eine direkte Wiederholung externer früherer Gewalterfahrung: Das Messer in die Scheide stoßen anstatt des Penis früher; die Brennsalbe auf den Schamlippen erinnert an den brennenden Schmerz im Genitalbereich nach der Vergewaltigung; die verstümmelten Brustwarzen erinnern an die Bisswunden dort, die Täter ihr zugefügt haben; die Würgemale nach der Strangulierung erinnern an die Male von den Händen des Täters; die Wunden dürfen nicht heilen, weil sie damals auch so lange unversorgt blieben und im Grunde – zumindest seelisch – heute noch nicht verheilt sind ...
    Selbstverletzung nach sexueller Gewalt wiederholt häufig das Eindringende und Zerstörende der Gewalterfahrung: die Schnitte und Stiche durch die Haut, tief nach innen, schwärend ...
    Selbstverletzungen nach sexualisierter Gewalt
    Besonders problematisch sind Selbstverletzungen nach sexualisierter Gewalt, während derer die Betroffene dem Tode auch durch körperliche Verletzung sehr nahe war. Erfahrungsgemäß gibt es bei einigen der Überlebenden von „Near-Death-Experiences“ (Todesnäheerfahrungen) einen sehr starken Druck, die Todesnähe zu wiederholen (Silk et al., 1995).
    Wiederholt werden auch der Hass und die Verachtung des Täters für das Opfer. Der Täter benutzte die Überlebende zu seiner Befriedigung wie einen Gegenstand, und statt sich selbst dafür zu hassen, hasst und verachtet er das Hilflose und Ausgelieferte in seinem Opfer. Dies führt oft zu dem Gefühl bei dem Opfer/der Überlebenden, nur „Müll“ zu sein, „beschmutzt und besudelt“ zu sein, verachtenswert zu sein – und diese Gefühle können Selbstverletzungsattacken auslösen.
    Schon damals, als sie – etwa in der Familie – in der Hand des oder der Täter war, hat sie unter Umständen schon Selbstverletzung benutzt, als einziges Mittel, um „Nein“ zu sagen. Vielleicht hat sie sich unattraktiv machen wollen: unförmig dick; oder spillerig dünn; oder mit schwärenden Wunden; oder narbenübersät ... Ich habe sogar mehrfach Frauen kennengelernt, die sich als Form der Selbstverletzung immer wieder die Vagina zugenäht haben – auch noch Jahre nach der letzten Vergewaltigung!
    Es gibt fließende Übergänge zwischen dem traumawiederholenden Charakter von Selbstschädigung und der Selbstverletzung als Täterverhalten. Etwa wenn die Betroffene „russisches Roulette“ mit sich selbst spielt: Sich in eine Badewanne voller Rasierklingen legt und zusieht, wie sich die Wanne mit ihrem Blut füllt, und erst versucht aufzustehen, wenn sie merkt, dass sie es gleich nicht mehr kann; wenn sie sich häufig in Extremsituationen begibt, bei denen sie „draufgehen“ könnte; wenn sie sich mithilfe von „Rekorden“ in ihren Verletzungsritualen (mindestens einen Liter Blut abzapfen, mindestens einmal ohnmächtig geworden sein etc.) quält; wenn sie andere dabei hilflos zusehen lässt, wie sie sich verletzt (die eigenen Kinder; PartnerIn, FreundIn; TherapeutIn ...), und ihnen jede Hilfs- und Eingriffsmöglichkeit verweigert.
    Das radikalste Selbstverletzungsverhalten als Täterverhalten ist der „erweiterte Suizid“, bei dem der oder die TäterIn das eigene „Draufgehen“ damit kombinieren, andere Menschen (Kinder, Zivilisten, Unschuldige) mit in den Tod zu reißen. Hier wird die eigene Verzweiflung kombiniert mit einer angeblich „richtigen Sache“: die Kinder oder andere Menschen sollen nicht ins Heim oder vor einem ähnlichen Schicksal bewahrt werden; die Tat soll ein politisches Fanal sein ...
    Therapieprobleme
    Viele schwer traumatisierte Menschen haben ohnehin das Gefühl, als seien sie chronisch misshandelte und zu kurz gekommene Außenseiter. Die Gesellschaft interessiere sich nicht für sie, im Gegenteil, quäle sie ständig aufs Neue mit Forderungen, die sie nicht bewältigen können. Wie oft habe ich KlientInnen sagen hören: „Immer muss ich büßen! Erst wurde ich gequält, vergewaltigt und habe kaum überlebt. Jetzt muss

Weitere Kostenlose Bücher