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Trauma

Trauma

Titel: Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Rutherford Snow.
    Gleich innerhalb der Eingangstür der Bücherei hängt ein Porträt von Cornelius. Er hat einen stählernen Blick, einen Schnurr-und Backenbart, und er strotzt nur so von Stolz.
    Als ich reinkam, saß niemand an einem der Lesetische. Der einzige Benutzer weit und breit lehnte lässig am Tresen und war in ein gedämpftes Gespräch mit Lionel Davis, dem obersten Bibliothekar, vertieft.
    Ich ging auf den Tresen zu und erkannte den Benutzer. Als er mich erblickte, leuchteten seine grünen Augen auf, und sein Leinwandlächeln war freundlich, nicht spöttisch, obwohl er zu Lionel sagte: »Ich glaube, dieser Gentleman sucht ein Buch über fliegende Untertassen.«
    Ich kannte Lionel Davis seit einer Ewigkeit. Er hatte sein Leben der Welt der Bücher gewidmet, so wie ich mein Leben dem Backen gewidmet hatte. Er war warmherzig, freundlich und konnte sich für ägyptische Geschichte ebenso begeistern wie für hartgesottene Kriminalromane.
    Normalerweise trug Lionel die leicht erschöpfte und doch immer kindliche Miene eines gütigen Hufschmieds oder eines ehrbaren
Pfarrers aus einem Dickens-Roman zur Schau. Ich kannte sein Gesicht gut, aber einen solchen Ausdruck wie jetzt hatte ich noch nie darauf gesehen.
    Sein Lächeln war breit, doch seine Augen waren schmal. Ein Zucken am linken Mundwinkel wies darauf hin, dass die Augen seinen Geisteszustand eher erkennen ließen als das Lächeln.
    Selbst wenn ich die Warnung auf Lionels Gesicht richtig gedeutet hätte, hätte ich nichts tun können, um ihn oder mich zu retten. Der gut aussehende Bursche mit den porzellanweißen Zähnen hatte bereits in dem Augenblick, als ich durch die Tür getreten war, beschlossen, wie er vorgehen wollte.
    Zuerst schoss er Lionel Davis in den Kopf.

7
    Die Pistole gab ein hartes, dumpfes Geräusch von sich, das nicht halb so laut war, wie ich erwartet hätte.
    Irrsinnigerweise dachte ich daran, dass man in Filmen keine echten Geschosse verwendet, sondern Platzpatronen, sodass das entstandene Geräusch bei der Endproduktion verstärkt werden muss.
    Fast hätte ich mich nach den Kameras und dem Team umgesehen. Der Schütze sah so blendend aus wie ein Filmstar, der Schuss hörte sich nicht richtig an, und eigentlich konnte niemand irgendeinen Grund haben, einen lieben Menschen wie Lionel Davis umzubringen. Das musste doch einfach bedeuten, dass hier alles nach Drehbuch verlief und dass der fertige Film nächsten Sommer ins Kino kommen würde.
    »Wie viele Fliegen schlucken Sie eigentlich jeden Tag, so wie Sie da mit offenem Mund herumstehen?«, fragte der Mörder. »Machen Sie den Mund nicht auch mal zu?«
    Offenbar amüsierte er sich über mich und hatte Lionel bereits vergessen. Einen Bibliothekar zu ermorden fand er wohl nicht schlimmer, als eine Ameise zu zertreten.
    Ich hörte, wie meine Stimme hohl vor Fassungslosigkeit und brüchig vor Zorn wurde: »Was hat er Ihnen eigentlich angetan?«
    »Wer?«
    Solltet ihr meinen, diese verblüffte Frage sei reine Show gewesen, die Prahlerei eines vermeintlich harten Burschen, der mich mit seiner Grausamkeit beeindrucken wollte, so kann ich euch versichern, dass dem nicht so war. Ich wusste sofort, dass
mein Gegenüber meine Frage tatsächlich nicht auf den Mann bezog, den es gerade eben ermordet hatte.
    Das Wort wahnsinnig charakterisiert den Mörder zwar nicht vollständig, aber es ist ein guter Anfang.
    Überrascht darüber, dass keinerlei Angst in meiner Stimme lag, während sie immer zorniger wurde, sagte ich: »Lionel. Er war ein guter, lieber Mensch.«
    »Ach, der.«
    »Lionel Davis. Er hatte einen Namen, wissen Sie? Er hatte ein Leben, er hatte Freunde, er war jemand!«
    Der junge Mann sah ernsthaft verdutzt drein. »War er nicht bloß ein Bibliothekar?«, fragte er mit unsicherem Lächeln.
    »Sie kranker Bastard!«
    Das Lächeln gefror und die Gesichtszüge des Mörders wurden bleich und hart, als verwandelte sich sein Fleisch in eine Totenmaske aus Gips. Er hob die Pistole, richtete sie auf meine Brust und sagte mit äußerstem Ernst: »Wagen Sie es nicht, meine Herkunft in Frage zu stellen!«
    Der Anstoß, den er an meiner Ausdrucksweise nahm, stand in einem derartigen Missverhältnis zu der Gleichgültigkeit, mit der er einen Mord begangen hatte, dass er mir auf düstere Weise komisch vorkam. Wäre mir jedoch auch nur ein kurzes ungläubiges Lachen entschlüpft, so hätte er mich mit Sicherheit umgebracht.
    Mit einer Pistolenmündung konfrontiert, spürte ich, wie Furcht in die

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