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Trauma

Trauma

Titel: Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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angenehm ereignisloses Leben geführt hatte, war es, soweit ich wusste, noch nicht dazu gekommen, dass ich mir Feinde gemacht hatte. Trotzdem spähte ich zu den Fenstern im ersten und zweiten Stock hinauf und rechnete fest damit, irgendwo einen Scharfschützen zu entdecken, der mich aufs Korn genommen hatte.
    Bis zu diesem Augenblick hatte ich immer angenommen, das Unglück, das an den fünf Tagen über mich kommen würde, werde unpersönlich sein. Gerechnet hatte ich entweder mit einer Laune der Natur – einem Blitzschlag, einem Schlangenbiss, einer Gehirnthrombose, einem herabstürzenden Meteoriten – oder einem Unfall, der sich durch die Unachtsamkeit meiner Mitmenschen ereignete, zum Beispiel ein sich selbstständig machender Betonmischer, ein entgleisender Zug, ein mangelhaft konstruierter Propangastank.
    Selbst wenn ich mitten in einen Bankraub stolperte und dabei angeschossen wurde, war das eine Art Unfall. Schließlich hätte ich meine Bankgeschäfte aufschieben können, indem ich einen Spaziergang im Park machte, die Eichhörnchen fütterte, dabei gebissen wurde und mir die Tollwut zuzog.
    Nun war ich gelähmt von der Möglichkeit einer absichtlichen Tat, von der Vermutung, dass eine mir unbekannte Person mich womöglich als Ziel auswählte, um mir Schaden und Elend zuzufügen.
    Schließlich musste es sich dabei nicht um einen Bekannten
handeln. Wahrscheinlich war es ein wahnsinnig gewordener Einzelgänger. Irgendein mordlüsterner Fremder mit einem Groll gegen das Leben, einer Menge Hohlspitzmunition und einem Proviant an schmackhaften eiweißreichen Energieriegeln, um auch während einer längeren Belagerung durch die Polizei frisch und munter bleiben zu können.
    In vielen Fensterscheiben loderte die orangefarbene Spiegelung der Nachmittagssonne. Andere waren dunkel, weil sie durch ihre Position das Bild der Sonne nicht einfangen konnten. Falls eines dieser Fenster auf war, konnte dahinter im Schatten der Heckenschütze lauern.
    Gelähmt stand ich da und glaubte zu wissen, dass auch ich das Talent zur Vorahnung besaß, das mein Großvater auf dem Totenbett unter Beweis gestellt hatte. Der Schütze war nicht nur eine Möglichkeit, er stand tatsächlich da droben, den Finger am Abzug. Ich hatte ihn mir nicht eingebildet, sondern spürte ihn hellsichtig, ihn und meine von Schüssen zerfetzte Zukunft.
    Ich versuchte, einen Schritt vorwärts zu tun, dann wollte ich zurückweichen, konnte mich jedoch nicht bewegen. Ich spürte, ein einziger Schritt in die falsche Richtung würde mich in die Schusslinie bringen.
    Solange ich reglos dastand, stellte ich natürlich ein ideales Ziel dar, aber auch dieses rationale Argument konnte meine Lähmung nicht lösen.
    Mein Blick wanderte von den Fenstern zu den Dächern, die womöglich einen noch besseren Hochsitz für einen Heckenschützen abgeben konnten.
    Ich war derart konzentriert, dass ich zwar eine Frage hörte, aber nicht darauf reagierte, bis sie wiederholt wurde: »Hören Sie mich nicht? Alles in Ordnung?«
    Ich brach meine Suche nach einem Heckenschützen ab und richtete den Blick auf den jungen Mann, der vor mir auf dem
Gehsteig stand. Er hatte dunkle Haare, grüne Augen und war so gut aussehend wie ein Filmstar.
    Einen Moment lang fühlte ich mich desorientiert, als wäre ich kurzfristig aus dem Strom der Zeit herausgetreten und könnte mich nun, da ich wieder hineintrat, nicht an den Rhythmus des Lebens anpassen.
    Der junge Mann warf einen Blick auf die Dächer, mit denen ich mich beschäftigt hatte, dann sah er mir mit seinen bemerkenswerten Augen direkt ins Gesicht. »Sie sehen aber gar nicht gut aus.«
    Meine Zunge fühlte sich angeschwollen an. »Ich … also … ich hab gedacht, ich hätte da oben was gesehen.«
    Diese Aussage klang so merkwürdig, dass sie ihm ein zweifelndes Lächeln entlockte. »Sie meinen, etwas am Himmel?«
    Ich konnte nicht erklären, dass ich auf die Dächer gestarrt hatte, denn das hätte mich unweigerlich zu dem Geständnis gezwungen, von der Furcht vor einem Heckenschützen gelähmt zu sein.
    Deshalb sagte ich: »Ja, äh, am Himmel, irgendwas … Seltsames. « Sofort wurde mir klar, dass ich mich mit diesen Worten genauso in die Nesseln setzte wie mit der Erwähnung eines Heckenschützen.
    »Ein UFO, meinen Sie?«, fragte der junge Mann mit einem schiefen Lächeln, das so gewinnend war wie das von Tom Cruise, wenn der sich unbekümmert gibt.
    Vielleicht handelte es sich tatsächlich um einen bekannten Schauspieler, um einen

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