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Trauma

Trauma

Titel: Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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vier Uhr nachmittags wachte ich auf, duschte, rasierte mich und ging in die Küche, als der Tag schon gemächlich in eine frühe Winterdämmerung überging.
    Lorrie saß immer noch am Tisch und war ins letzte Kapitel des Krimis versunken. Als ich mich zu ihr beugte, gab sie mir einen Kuss, blickte jedoch kaum auf dabei.
    »He, du Meisterkonditor«, sagte sie nebenbei, »könntest du mir wohl ein Stück Streuselkuchen besorgen?«
    Während ihrer Schwangerschaft hatte sie verschiedene kulinarische Gelüste entwickelt, doch ganz oben auf der Liste standen Streuselkuchen und diverse Sorten Gugelhupf.
    »Wenn das Baby geboren wird, kann es bestimmt schon Kuchen haben! sagen«, meinte ich.
    Bevor ich den Kuchen holte, schaute ich durch das Fenster in der Hintertür und sah, dass etwa fünfzehn Zentimeter Pulverschnee die Verandastufen bedeckten.
    »Sieht ganz so aus, als hätte der Wetterbericht mal wieder danebengelegen«, sagte ich. »Das ist nicht bloß ein Schauer.«
    Von ihrem Buch gefesselt, war es Lorrie gar nicht aufgefallen, dass der träge Schneefall sich in ein heftiges, wenn auch windstilles Gestöber verwandelt hatte.
    »Wie schön!«, kommentierte sie die weiße Pracht. Kaum eine halbe Minute später erstarrte sie auf ihrem Stuhl. »Oje.«
    Ich war gerade damit beschäftigt, das Stück Streuselkuchen abzuschneiden, und dachte, ihr »oje« beziehe sich auf eine spannende Stelle in der Geschichte, die sie las.

    Zischend sog sie die Luft durch die Zähne ein und stöhnte auf. Das Buch fiel ihr aus den Händen auf den Tisch.
    Als ich den Blick vom Kuchen hob, sah ich, dass sie plötzlich so bleich war wie die schneebedeckte Landschaft vor dem Fenster.
    »Was ist denn?«
    »Ich dachte, es wären wieder Vorwehen.«
    Ich ging zum Tisch. »Wann hat es angefangen?«
    »So um zwölf Uhr mittags.«
    » Vor fünf Stunden? Und du hast mich nicht aufgeweckt?«
    »Der Schmerz war bloß im Unterleib und in der Leistengegend, so wie vor ein paar Tagen«, sagte sie. »Aber jetzt …«
    »Im ganzen Bauch?«
    »Ja.«
    »Und auch am ganzen unteren Rücken?«
    »O ja.«
    Diese Topographie des Schmerzes wies auf echte Wehen hin. Mir wurde flau, aber nur einen Augenblick. Dann verwandelte sich meine Angst in Vorfreude, als ich an meine baldige Vaterschaft dachte.
    Die Angst wäre mir treu geblieben, wenn ich gewusst hätte, dass unser Haus beobachtet wurde und dass ein empfindliches Abhörgerät, das man in unsere Küche geschmuggelt hatte, unser Gespräch gerade an einen Lauscher übermittelt hatte, der kaum zweihundert Meter von uns entfernt war.

26
    Bei einer Frau, die ihr erstes Kind bekommt, dauert die erste Phase der Wehen durchschnittlich zwölf Stunden. Wir hatten also eine Menge Zeit. Das Krankenhaus war nur sechs Meilen entfernt.
    »Ich lade die Sachen in den Wagen«, sagte ich. »Lies das Buch ruhig zu Ende.«
    »Gib mir den Streuselkuchen.«
    »Soll man denn zu Beginn der Wehen überhaupt was essen?«
    »Wie bitte? Ich bin regelrecht ausgehungert – und ich hab vor, ständig was zu futtern, bis die Sache gelaufen ist.«
    Nachdem ich ihr das gewünschte Stück Streuselkuchen gegeben hatte, ging ich nach oben, um die Reisetasche zu holen, die wir vorsorglich für sie gepackt hatten. Vorsichtig stieg ich die Treppe hinauf, mit einer Art Paranoia kam ich wieder herunter. Falls es überhaupt einen guten Zeitpunkt gegeben hätte, um auszurutschen und sich das Bein zu brechen, dies war er jedenfalls nicht.
    In unseren drei Ehejahren war ich erheblich weniger tollpatschig geworden, als ich es vor der Hochzeit gewesen war. Offenbar hatte ich wie durch Osmose ein wenig von Lorries Anmut in mich aufgesogen.
    Dennoch ging ich kein Risiko ein, während ich die Tasche in die Garage trug und rasch im Heck unseres Geländewagens verstaute.
    Außerdem besaßen wir noch – ja, richtig! – einen Pontiac Trans Am, Baujahr 1986. Außen rot wie ein kandierter Apfel, innen schwarz. Lorrie sah darin einfach großartig aus.

    Nachdem ich das automatische Garagentor ein kleines Stück weit geöffnet hatte, damit die Luft zirkulieren konnte, startete ich den Wagen und ließ den Motor laufen. Es sollte innen warm sein, wenn Lorrie einstieg.
    Vier Tage vorher, als schon einmal Schnee gefallen war, hatte ich Ketten aufgezogen und beschlossen, sie einfach an den Rädern zu lassen.
    Nun fühlte ich mich weitsichtig und souverän. Dank meiner Voraussicht, meinte ich, werde das Ganze ein Kinderspiel sein.
    Unter Lorries positivem Einfluss war ich

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