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Trauma

Trauma

Titel: Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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beeinträchtigt. Ich zog es vor, die Hände an den Mund zu halten und sie mit dem Atem zu wärmen.
    Schlimmer als meine kalten Hände war mein linkes Bein, das zu schmerzen begann. Es pochte wie die Wurzel eines vereiterten Zahns. In wärmerem Wetter nehme ich nie wahr, dass meine Beinknochen von Chirurgenstahl zusammengehalten werden, aber im Winter bin ich manchmal in der Lage, genau zu spüren, wo sich jede Platte und Schraube befindet und wie sie aussieht.
    Als ich der Meinung war, zwei Drittel des Anstiegs hinter mich gebracht zu haben, ohne eine Taschenlampe oder irgendein anderes Anzeichen für eine herabsteigende Gestalt zu sehen, blieb ich stehen. Im Vertrauen darauf, mit den Füßen einen guten Halt zu haben, richtete ich mich ganz auf, um besser zur Kante des Abhangs spähen zu können, von der ich immer noch mehr als hundert Meter entfernt war.
    Selbst wenn der Hummer am Straßenrand stand, konnte ich ihn von meiner Warte aus nicht sehen. Allerdings hoffte ich, den Widerschein seiner Scheinwerfer oder Parkleuchten zu erkennen, doch das Ende des Hangs zeichnete sich nur als graue Linie vor dem mit Schneewolken bedeckten Himmel ab.

    Dass unser Verfolger sich davongemacht hatte, war nicht anzunehmen. Nachdem er uns so entschlossen verfolgt hatte, gab er sich garantiert nicht so einfach zufrieden. Und wenn er uns tatsächlich umbringen wollte, dann würde er nicht darauf vertrauen, dass wir dem steilen, aber nicht unüberwindbaren Abhang zum Opfer gefallen waren.
    Ein guter Konditor braucht Geduld, aber daran mangelte es mir gelegentlich selbst in der Backstube. Wie ich so dastand und darauf wartete, dass unser Verfolger auftauchte, wurde ich so nervös wie bei der Zubereitung von Crème Anglaise. Dabei muss man eine Masse aus Eigelb, Zucker und Milch bei schwacher Hitze so lange rühren, bis sie die richtige Konsistenz hat, ohne dass das Eigelb gerinnt.
    Metaphorisch ausgedrückt war mein Eigelb bereits am Gerinnen, als von oben ein brausendes Geräusch nahte. Es war nicht nur ein scharfer Windstoß, sondern etwas Fürchterliches, das aus den Baumwipfeln herabstürzte.
    Da ich in der Schule kein großes Interesse an antiker oder sonstiger Geschichte gehabt hatte, fand ich es seltsam, dass mir in diesem Augenblick das rasiermesserscharfe Schwert einfiel, das an einem Haar über dem Kopf von Damokles hängt.
    Ich blickte nach oben.

31
    Rauschend schwangen sich viele kleine Schwerter auf mich herab, doch sie waren weicher als Stahl: Federn, die zwei breite Schwingen bildeten. Ich sah die leuchtenden runden Augen und den scharfen Schnabel, hörte die vertraute Frage – »Wer da?« – und wusste, es war eine Eule. Dennoch schrie ich überrascht auf, als sie über mich hinwegflog.
    Auf der Jagd nach Nagetieren folgte der große Vogel in nordnordwestlicher Richtung dem Abhang. Nun glitt er geräuschlos dahin. Er überquerte die Spur, die unser Wagen bei seiner Fahrt ins Dunkel hinterlassen hatte – und segelte an einer Gestalt vorbei, deren Anwesenheit ich bisher noch nicht wahrgenommen hatte.
    Zwar hatten sich meine Augen inzwischen endgültig an die Dunkelheit gewöhnt, doch die Sichtverhältnisse waren äußerst ungünstig. Der Flickenteppich aus nackter Erde und schwach leuchtendem Schnee verbreitete die gespenstische Atmosphäre einer Traumlandschaft, die sich ständig zu verändern schien wie ein schwarz-weißes Mosaik am Ende eines sich unendlich langsam drehenden Kaleidoskops.
    Der Mann stand etwa zehn Meter weiter nördlich und sechs Meter tiefer als ich zwischen den Bäumen. Gleichermaßen verstohlen vorgehend, hatten wir uns aneinander vorbeigeschlichen, ohne uns wahrzunehmen.
    Obwohl mein Aufschrei kurz und nicht laut gewesen war, hatte er mich verraten, während die Eule meinen Blick auf unseren Verfolger gelenkt hatte. Ich sah nur seine Silhouette, keinerlei
Einzelheiten, nicht einmal den Fellkragen seiner Lederjacke, aber da stand unzweifelhaft eine menschliche Gestalt.
    Ich hatte erwartet, dass er sich mit einer Taschenlampe verraten würde. Ohne Licht konnte er die Spuren unseres Wagens in einer derart tiefen und trügerischen Finsternis doch unmöglich so weit verfolgt haben!
    Ich fragte mich, ob er mich genauso gut sehen konnte, wie ich ihn sah, oder sogar noch besser. Dennoch wagte ich nicht, mich zu bewegen. Vielleicht hatte er doch noch nicht gesehen, woher der Schrei, der ihn gewarnt hatte, gekommen war.
    Schüsse krachten.
    Als ich die Waffe vor unserem Haus zum ersten Mal gesehen

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