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Trauma

Trauma

Titel: Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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nächste Straße stets nicht mehr als eine halbe Meile weit entfernt gewesen war. Ich wiederum war ohnehin nie ein furchtloser Waldläufer gewesen. Ich liebte die Zivilisation, die Wärme eines Herdes, die Gemütlichkeit einer Küche.
    Ich wandte mich von dem wortlosen Plappern des rauschenden Wassers ab und versuchte verzweifelt, die urtümliche Struktur der Wildnis zu begreifen. Dann machte ich mich zögernd wieder auf den Weg. Als ich nach einer Weile schneller ging, tat ich das eher aus Furcht denn aus Überzeugung.
    Allein und in höchster Gefahr, hätte Lorrie einen Davy Crockett gebraucht. Stattdessen hatte sie nur mich – einen harmlosen Konditor.

33
    Was nun in den nächsten zwei Kapiteln folgt, habe ich nicht selbst erlebt, sondern von Lorrie erzählt bekommen.
    Allein in unserem Wagen eingeschlossen, drehte Lorrie sich auf ihrem Sitz mühsam zur Seite, um zu sehen, wie ich im Wald verschwand. Angesichts der Finsternis dauerte das fünfzehn Sekunden, wonach sie genügend Zeit hatte, über ihre eigene Sterblichkeit nachzudenken.
    Sie klappte das Handy auf und tippte noch einmal die Notrufnummer ein. Wie gehabt, bekam sie keine Verbindung.
    Ihre Armbanduhr hatte gerade erst eine halbe Minute abgezählt, und schon hatte sie keine Auswahl an Möglichkeiten mehr, die Zeit totzuschlagen. Es waren schließlich nicht die passenden Umstände, um »Ein Männlein steht im Walde« zu trällern.
    Obwohl ich ihr an dem Tag, an dem wir uns zum ersten Mal begegnet waren, das Leben gerettet hatte (und umgekehrt), hatte sie kein grenzenloses Vertrauen in meine Fähigkeit, mich an den Killer anzuschleichen und ihn mit bloßen Händen zu überwältigen.
    Später gestand sie mir: Sei nicht beleidigt, Bäckerjunge, aber ich hab gedacht, du gehst direkt in den Tod, und ich ende als Braut von Rübezahl.
    Es dauerte nicht lange, da lagen ihre Nerven blank. Sie hatte Angst, sagt sie, nicht so sehr wegen dem, was sie erwartete, als um mich. Das glaube ich ihr auch, denn das ist typisch für sie. Sie denkt nur selten an sich selbst zuerst.

    Genauso sehr waren ihre Gedanken allerdings bei unserem ungeborenen Baby. Ihre Unfähigkeit, ihr Kind auf irgendeine wirksame Weise schützen zu können, ließ abwechselnd Wut und Furcht durch ihren Körper wogen.
    Ihren Gefühlen ausgeliefert, dachte sie, sie könne nicht nur einfach dasitzen, ohne einen Finger zu rühren, sonst würden Frustration und Angst sie langsam irre werden lassen.
    Ein Plan kam ihr in den Sinn. Wenn der Boden dazu geeignet war und wenn ihr Kugelbauch ihr nicht in den Weg kam, dann konnte sie doch aussteigen, sich unter den Wagen schieben und dort ungesehen warten.
    Wenn ich erfolgreich zurückkehrte, dann würde sie sich in ihrem Versteck bemerkbar machen. Wenn jedoch stattdessen der Killer auftauchte, dann meinte er vielleicht, sie sei mit mir oder allein geflohen.
    Sie öffnete die Zentralverriegelung und drückte die Tür auf. Sofort spürte sie, wie die eiskalte Luft ihr alle Farbe aus dem Gesicht saugte.
    Die Winternacht war ein Vampir mit Flügeln aus Finsternis und Zähnen aus Kälte.
    Unter dem Wagen hätte Lorrie auf gefrorenem Boden gelegen. Eine Weile hätte der abkühlende Motor Wärme gespendet, aber nicht viel und nicht lange.
    Eine heftige Wehe ließ sie zusammenzucken. Sie zog die Tür zu und betätigte wieder die Zentralverriegelung.
    Noch nie im Leben hatte sie sich so hilflos gefühlt. Dieser Zustand gab ihrer Frustration, ihrer Furcht und ihrer Wut ständig neue Nahrung.
    Irgendwann glaubte sie, Schüsse zu hören.
    Sie drehte den Zündschlüssel, nicht, um den Motor anzulassen, sondern nur, um das Fenster einen Spaltbreit herunterzufahren.

    Eine weitere Salve bestätigte, dass sie das Bellen einer automatischen Waffe gehört hatte. Ihre Eingeweide zogen sich zusammen, diesmal nicht durch eine Wehe, sondern vor Furcht, denn sie dachte, dass sie vielleicht gerade zur Witwe geworden war.
    Merkwürdigerweise erinnerte die dritte Salve sie daran, dass sie eine unerschütterliche Optimistin war. Wenn es unserem Verfolger nicht gelungen war, mich mit den ersten beiden Salven zu erwischen, dann war er vielleicht kein besonders toller Schütze, oder ich war nicht so leicht umzubringen.
    Als sie die Tür geöffnet hatte, war eine Menge Wärme aus dem Wagen entwichen. Nun kroch die kalte Nacht durch den Spalt im Fenster, und Lorrie zitterte.
    Nachdem sie das Fenster wieder geschlossen hatte, schaltete sie die Zündung aus und suchte nach einer Waffe, zuerst

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