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Traumfabrik Harvard

Titel: Traumfabrik Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Schreiterer
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Tiefenschärfe geben, die für das Verständnis
     amerikanischer Hochschulen unerlässlich scheint. Bislang haben wir uns dabei auf die enormen Veränderungen in Studiennachfrage
     und instiutionellen Formen konzentriert. Forschung kam nur am Rande vor. In der internationalen Wahrnehmung machen amerikanische
     Hochschulen heute aber vor allem wegen ihrer Erfolge in der Forschung so viel her – was nicht ohne Ironie ist, wenn man bedenkt,
     dass ihr besonderer Pfiff in den einzigartigen Formen und Strukturen des Studiums liegt. Wenn die
American university
nach 1945 an die Weltspitze stürmen und die deutsche Universität als das Modell für eine moderne, leistungsfähige wissenschaftliche
     Hochschule |83| verdrängen konnte, dann hatte das jedenfalls mit ihrer Lehre sehr wenig und mit glänzenden Leistungen in der Forschung umso
     mehr zu tun. Die Grundlagen dafür waren, wie wir gesehen haben, bereits um die letzte Jahrhundertwende gelegt worden, als
     sich einige amerikanische Universitäten der Forschung zuzuwenden und fachwissenschaftlich zu organisieren begannen. Lange
     vor dem »Manhattan Project« und weiteren militärischen Forschungsvorhaben unter der Ägide des »Office for Scientific Research
     and Development« (OSRD) während des Zweiten Weltkriegs hatte es bereits Ansätze für eine staatliche Forschungsförderung gegeben,
     allerdings in bescheidenem Umfang und begrenzt auf Technik und Landwirtschaft. So blieb die amerikanische Hochschule bis 1945
     im Wesentlichen eine »teaching institution« (Thelin 2004; Geiger 2004), in der Forschung bestenfalls am Rande vorkam und weder
     materiell noch ideell nur annähernd das Gewicht besaß, das sie mit Beginn der 1950er Jahre bekommen sollte.
    Erst die massive staatliche Förderung natur- und ingenieurwissenschaftlicher »Big Science« nach 1945 brachte den »Big Bang«
     für die
research
university
. Politik und Öffentlichkeit waren fest davon überzeugt, dass die militärische, wirtschaftliche und politische Kraft der USA
     künftig immer stärker von der Grundlagenforschung, wissenschaftlichem Erfindungsgeist und technischen Innovationen abhängen
     werde. Um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein und im drohenden Kalten Krieg mit der Sowjetunion die Nase vorn zu behalten,
     müsse das Land seinen Pioniergeist wieder entdecken und alles daran setzen, um die phantastischen Möglichkeiten moderner Forschung
     und Technik für sich zu nutzen: So lautete die Botschaft der berühmten Denkschrift »Science, the Endless Frontier«, die 1945
     den Startschuss für die massive staatliche Förderung der (natur) wissenschaftlichen Grundlagenforschung gab. Ihr Verfasser
     war Vannevar Bush, ein Ingenieurprofessor am MIT und einflussreicher Wissenschaftsmanager, der 1939 Präsident der Carnegie
     Foundation und 1941 Direktor des Forschungsamtes der Bundesregierung geworden war. Im Juli 1945, also noch vor dem ersten
     Atombombenabwurf auf Hiroshima, übergab er Harry S. Truman seinen »Report to the President on a Program for Postwar Scientific
     Research«. Darin beließ er es nicht bei dramatischen Appellen, sondern präsentierte eine Reihe konkreter Vorschläge, wie der
     Staat die Forschung am besten fördern solle: Nicht institutionell und dauerhaft, sondern durch zeitlich begrenzte Projekte,
     nicht nach politischer Opportunität, sondern ausschließlich qualitätsbezogen, nicht durch Aufträge der Administration, sondern
     durch wissenschaftsnahe Fördereinrichtungen |84| und ohne feste Quoten für einzelne Gebiete und bestimmte Einrichtungen, sondern im ständigen Wettbewerb zwischen Förderanträgen,
     die einer wissenschaftsgeleiteten Begutachtung durch andere Forscher unterzogen werden. In ihrer Architektur und Arbeitsweise
     blieb das
federal research
funding
diesen Grundsätzen bis zum heutigen Tag verpflichtet. Allerdings kam es zu gewichtigen Ausnahmen, deren materielle Dimensionen
     die der Förderung nach dem »Regelprinzip« inzwischen überflügeln: Der Löwenanteil der Forschungsmittel des Bundes fließt inzwischen
     über das Department of Health and Human Services an die »National Institutes of Health« (NIH), die ihrerseits nur einen Teil
     dieser Gelder wettbewerblich vergeben, sowie an physikalische Großforschungsanlagen, die locker an Universitäten angebunden
     sind und über das Department of Energy quasi dauerhaft institutionell finanziert werden. 24
    Als die großen Ströme staatlicher Fördergelder zu fließen begannen, waren

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